Nillson.de http://www.nillson.de/ Nillson.de RSS Feed de Nillson.de http://www.nillson.de/fileadmin/templates/website/assets/images/touch-icon.png http://www.nillson.de/ 158 158 Nillson.de RSS Feed TYPO3 - get.content.right http://blogs.law.harvard.edu/tech/rss Sat, 30 Sep 2023 13:54:41 +0200 Carlos Cipa - Retronyms [Warner Classics] http://www.nillson.de/artikel/lesen/carlos-cipa-retronyms-warner-classics.html Ein Retronym steht für die neue Bezeichnung für etwas Althergebrachtes. Die Umcodierung klassizistischer Klangwelten ist Carlos Cipa auf seinem dritten Album nun wirklich sehr faszinierend gelungen: Ein unfassbar detailreicher Soundkosmos, der nachhaltig berührt und beeindruckt.
Das beginnt schon mit dem Intro namens „Fanfare“, das das Spektrum der Erwartbarkeit des Folgenden mit einem Mitschnitt der Einspielübungen des Posaunisten vom ersten Moment an ad absurdum führt - eine knapp einminütige, scheinbar atonal-avantgardistische Einführung, die in das fast schon wunderbarste Stück auf „Retronyms“, „Senna’s Joy“, mündet, das mit gedämpften Klavierklängen beginnt und ergänzt wird durch Bläser (hier nun keineswegs atonal oder avantgardistisch, sondern  dezent angejazzt), gezupfte Streicher und synthetische Soundflächen, wunderbar wärmend, gleichzeitig zutiefst melancholisch und introspektiv, prachtvoll und sehr innig. „Mame“ wirkt auf seinen knapp zweieinhalb Minuten wie eine akustische Momentaufnahme, ein Experiment; dann „And She Was“, das vorab schon ein wunderschönes Stück war, im Gesamtzusammenhang des Albums aber noch weit mehr Sinn ergibt, weil es mit seinen detailreichen Klavierfiguren die Brücke zwischen dem minimalistischen Ansatz der ersten Alben und dem ausladenderen Klangkonzept von „Retronyms“ bildet. So öffnet das darauf folgende kryptisch betitelte „awbsmi“ wieder eine neue Tür, surreal-verfremdete Streicher untermalen eine düster-nebelverhangene Szenerie, mit der wir aber schon nach gut anderthalb Minuten wieder allein gelassen werden, bevor das wundersam leicht und erlösend klingende „Slide.“ wieder mit Sonnenstrahlen das Setting erhellt, hier hören wir plötzlich eine Gitarre, eingängig, einprägsam und betörend hoffnungsvoll - und dann dieses Finish, die Streicher, die auf einmal einfach da sind und so sehr am Ziel wirken, aber gleichzeitig sind da diese dystopischen Drones, und wir fühlen uns diffus, gar nicht mehr so geborgen. Was wartet, wenn wir diesen Klangwald verlassen? Der „Dark Tree“. Hier tritt Carlos Cipas sehr feingliedriges Klavierspiel in den Dialog mit jazzigen Trompeten, und darunter liegen sphärisch-elegische Soundscapes, surreal und weltfern. Das Finale, „Paon“, ist dann ein improvisatorisches Zusammenspiel zwischen Cipas Klavier und der Trompete von Matthias Lindermayr, quasi eine sowohl klangliche als auch für den Hörer fühlbare Quintessenz des Albums - melancholisch und detailverliebt, hoffnungsvoll und gleichsam introvertiert, kunstvoll und leicht. Und dann ist es vorbei, hinterlässt uns glücklich und bereichert, still innehaltend. Diese Vielfalt muss man erstmal verpacken.

Weil ein Retronym eine neue Bezeichnung von etwas althergebrachtem meint, ist der gesamte Begriff der Neoklassik, in dem sich auch Carlos Cipa im weitesten Sinne bewegt, generell allumfassend darunter einzuordnen, und es ist wahrhaft bereichernd, wie hier Strukturen aufgebrochen, erweitert, neu gedacht werden. Definitv ist dieses Album ein sehr eindrucksvoller Beweis dafür, was mit klassizistischen Ordnungen getan werden kann, wenn der Horizont breiter gemacht wird, wenn Ergänzungen aus zeitgenössischer Musik ein Zugang zu minimalistischen Strukturen geschaffen wird. Eine wunderbare Erdung erhält dieses dritte Album von Carlos Cipa übrigens durch das immer mal wieder hörbare Rauschen; die spürbare Nahbarkeit der Produktion entsteht durch den stetig wiederkehrenden Improvisationscharakter in den acht Stücken, den Fokus auf das Organische. „Retronyms“ ist ein klangliches Wunderwerk, suggestiv, experimentell, zuweilen hörbar dem Moment verschrieben, dann wieder so detailreich, dass die Kreativität in seiner Konzeption förmlich überwältigt. Es ist fraglos der bisherige Höhepunkt im Schaffen von Carlos Cipa - und es sollte ihn dringend endlich in den Kreis der gefragtesten Künstler der sogenannten Contemporary Music befördern.


Text: Kristof Beuthner]]>
Rezensionen Sat, 24 Aug 2019 11:28:35 +0200
OVE - Abruzzo [Tapete / Indigo] http://www.nillson.de/artikel/lesen/ove-abruzzo-tapete-indigo.html Das ist so eine Sache mit dem Nichtgelingen von Dingen: Du kannst dich darüber ärgern oder geile Geschichten darüber erzählen. Dass sich die Ove-Kapelle für letzteres entschieden hat, ist ein Segen: Selten klangen Stories über die Unwegbarkeiten des Lebens so mitreißend positiv.
Alles das sind Stories, die unvorteilhaft ins Klamaukige abdriften könnten - dass OVE diese Falle umschiffen, ist die allergrößte Stärke von „Abruzzo“. Der vor Spielfreude nur so sprudelnde Soundmix beantwortet die Frage nach halb leer und halb voll sowieso schon eindeutig; Thomsens nordfriesisch-lakonischer Charme eignet sich perfekt, um dat büschn Trabbel im Leben mit der entsprechenden Gelassenheit zu relativieren; im besten Sinne „down to earth“, wie man so schön sacht. So gut wie auf „Abruzzo“ waren OVE noch nie, klanglich wie lyrisch. Und auch, wenn die Platte jetzt schon eine ganze Zeit lang draußen ist: Sie wird das ganze Jahr über noch für eine Menge Freude sorgen, mindestens.
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Rezensionen Sun, 14 Apr 2019 15:02:36 +0200
Thomas Dybdahl - All These Things [Ferryhouse Productions / Warner] http://www.nillson.de/artikel/lesen/thomas-dybdahl-all-these-things-ferryhouse-productions-warner.html Wenn du mit 19 deine erste EP rausbringst, ist es auch nicht beachtlich, dass du im Alter von 40 Jahren schon auf sechs Alben-Releases kommst. „All These Things“ ist demnach schon das siebte Vollwerk des Norwegers Thomas Dybdahl, und es ist schön, dass er immer noch etwas zu sagen hat.
Ist „All These Things“ nun also eine Midlife-Crisis-Platte geworden? Nun ja: Sie klingt definitiv sehr erwachsen und reif, natürlich auch sehr nachdenklich, aber nicht unbedingt nach Krise. Thomas Dybdahl hat sich dafür mit einem illustren Kreis sehr versierter Musiker, unter anderem aus dem Umfeld von Tracy Chapman, Springsteen, Paul Simon oder Sheryl Crow, umgeben, die mit relaxten Percussions, Pedal Steel, Mandoline, Hammond-Orgel und anderen instrumentalen Preziosen den neun Songs ein überaus edles Gewand verleihen. Die Finesse von Dybdahls Band weckt nach den ersten Tönen des Openers (zugleich der Titeltrack) kurz den Verdacht, es könnte sich bei „All These Things“ um eine Mucker-Platte handeln, doch das Herz sieht ganz klar über die technische Brillanz. Die zeitlosen Arrangements von Songs wie „Can I Have It All“ oder „Look At What We’ve Done“, die irgendwo zwischen Songwriter-Folk, samtschwarzem Blues und dezentem Jazz mäandern, sind ein idealer und zeitgemäßer Rahmen für die logischerweise eben auch nicht mehr jugendlichen Gedankenwelten eines sehr ehrlichen, sich offen hinterfragenden Künstlers, dem es einmal mehr gelingt, trotz seiner mal falsettierten, mal gehauchten Vocals eine ungeheuer intensive Präsenz in seinen Songs auszustrahlen. Auf „When I Go“ hat er sich dann auch noch die Folk-Sängerin Lera Lynn dazu geladen, die man vielleicht von einigen Auftritten aus der Serie „True Detective“ kennt (ich nicht), auch das ist ein wunderschönes und wahrhaftiges Stück, das vom Lieben und Loslassen handelt - ja, möglicherweise steckt in diesen Songs dann doch die Krise im Älterwerden Thomas Dybdahls, aber sei’s drum. „All These Things“ ist klanglich ein sehr zurückgelehntes und entspanntes Album geworden, trotz der schweren thematischen Tragweite; es ist eine Platte, die in die Nacht gehört, wenn man nicht schlafen kann, weil sich der Kopf dreht und man dringend einen Anker sucht, von dem aus man mit sicherem Boden unter den Füßen in die nächste aufregende Phase seines Lebens starten kann; ein Album für den einsamen Hocker an der Bar zwischen Zigarettenrauch und einem guten Wein oder den verlorenen Blick aus dem Fenster ins Dunkel.


Text: Kristof Beuthner]]>
Rezensionen Fri, 12 Oct 2018 13:52:00 +0200
PeterLicht - Wenn wir alle anders sind [Tapete / Indigo] http://www.nillson.de/artikel/lesen/peterlicht-wenn-wir-alle-anders-sind-tapete-indigo.html Lang, lang ist’s her seit PeterLicht der Gesellschaft mit seiner präzise-grotesken, zwischen Dada-Lyrik und herzerwärmendem Aufrührertum schwankenden Pop-Spielart zuletzt den Spiegel vorhielt. Selten hat sie aber ein Album wie „Wenn wir alle anders sind“ so gebraucht wie jetzt.

Text: Kristof Beuthner
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Rezensionen Wed, 10 Oct 2018 15:14:00 +0200
Theodor Shitstorm - Sie werden dich lieben [Staatsakt / Caroline International] http://www.nillson.de/artikel/lesen/theodor-shitstorm-sie-werden-dich-lieben-staatsakt-caroline-international.html Das Herz frohlockt bei dieser Platte, denn sie markiert die Wiederkehr von einer, die sich mit ihrem Debüt „Wenn die Nacht den Tag verdeckt“ vor vier Jahren aus dem Stand zu einer der tollsten Songwriterinnen dieses Landes gemacht hat: Desiree Klaeukens nämlich.
All die Weisheit, die wir meinen, in uns zu tragen und weiterzugeben, wird im grandiosen „Ratgeberlied“ ad absurdum geführt: „Alles, was du weißt, passt in einen Satz, aber den hast du vergessen und dein Kopf ist leer, du bist klug und gebildet und du weißt überhaupt nichts mehr“. In „Schuld“ wird eine Gesellschaft beschrieben, die zwanghaft für alles einen Verantwortlichen finden will, ohne bei sich selbst anzufangen. „Depression“ beschreibt die totale Vereinzelung in urbanen Lebensräumen wie im ländlichen Gemütlichkeitsidyll. „Kunst“ ist - ja, was ist das eigentlich? Darüber wird ja seit geraumer Zeit fleißig diskutiert, und Theodor Shitstorm findet dafür eine Menge Antworten. Und „Getriebeschaden in der Slowakei“ ist ein unglücklicher Roadtrip durch die täglichen Fehlbarkeiten der Welt um uns herum. Das alles wird durchgängig lakonisch, aber mit unfassbar präziser lyrischer Finesse erzählt, und es könnten einem ein Sven Regener oder ein Nils Koppruch aus der Referenzschublade entgegen winken, in deren Tradition „Sie werden dich lieben“ durchaus stehen mag, aber es ist etwas eigenes daraus entstanden, das Desiree Klaeukens als eine der besten Texterinnen des Landes weiter etabliert und Dietrich Brüggemann als absolut adäquaten Sidekick ins Rampenlicht rückt. Klar ist das Ganze klanglich in kein bahnbrechendes Konzept gebettet; eine Gitarre, ein Laptop, Golo Schulz am Bass und Florian Holoubek am Schlagzeug komplettieren die Theodor Shitstorm-Band, und auch hier denkt man zuweilen an Element Of Crime und Fink, an den frühen Gisbert und an Liedermacher der alten Schule, aber das ist insofern einerlei, weil Theodor Shitstorm keine Mucker-, sondern eine Textband ist, und zwar eine, auf die wir ganz offensichtlich lange gewartet haben - endlich sagt das alles jemand endlich wieder so, dass Kopf und Herz sich einig sind. „Sie werden dich lieben“ darf als programmatischer Titel verstanden werden: Dieses Album ist vielleicht das beste deutschsprachige Werk des in seine Endphase schlitternden 2018.


Text: Kristof Beuthner]]>
Rezensionen Tue, 09 Oct 2018 14:42:00 +0200
Jessica Einaudi - Black And Gold [Overhear / Indigo] http://www.nillson.de/artikel/lesen/jessica-einaudi-black-and-gold-overhear-indigo.html Eine Review über Jessica Einaudi, ohne darauf zu verweisen, dass ihr Vater der große Komponist Ludovico Einaudi ist und gute Musik so gesehen in der Familie liegt? Schwierig, aber halt auch ungerecht, ihr Talent rein über den Familiennamen zu definieren. Darum sei der Sache mit diesen einführenden Worten Genüge getan.

Text: Kristof Beuthner

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Rezensionen Mon, 08 Oct 2018 14:43:00 +0200
Svavar Knútur - Ahoy! Side A EP [Dimma / Believe] http://www.nillson.de/artikel/lesen/svavar-knutur-ahoy-side-a-ep-dimma-believe.html Unser liebster isländischer Folkbarde hat eine richtige Band bekommen. Schon sein letztes Album „Brot (The Breaking)“ erklang im ausladenderen Gewand; was Svavar Knutur aber teilweise auf der „Ahoy! Side A“-EP bietet, haben wir so von ihm noch nicht gehört.
Dazwischen aber serviert uns Svavar Knutur seine Kunst so, wie wir sie kennen und schätzen: Auf dem schwelgerischen „Lady Winter“, dem wunderschön heimeligen „Haustvindar“ und den Neuvertonungen von vier alten Stücken („Undir Birkirtré“, „Ölduslod“, „Yfir holá og yfir haedir“ und „Tiger & Bear“), für die der Isländer zuvor nicht die finanziellen Mittel, die Zeit oder die Erfahrung hatte, um sie so klingen zu lassen, wie er sie sich vorstellte. Dass diese vier auf „Ahoy! Side A“ mit dabei sind, gibt er EP noch einen schönen Zeitreise-Touch. Nicht, dass man das so bräuchte: Nach wie vor sind Svavar Knuturs Songs vollkommen zeitlos und schlicht wunderschön; jedes neue musikalische Lebenszeichen von ihm setzt da noch eine kleine Stufe obendrauf, und so ist die neue EP ein schönes und dank des neuen Soundgewandes auch spannendes Wiedersehen. Sagt ja keiner, dass man sich immer das gleiche erzählen muss, wenn man sich nach langer Zeit wieder trifft.


Text: Kristof Beuthner]]>
Rezensionen Sun, 07 Oct 2018 14:25:00 +0200
Doe - Grow Into It [Big Scary Monsters / Topshelf / Al!ve] http://www.nillson.de/artikel/lesen/doe-grow-into-it-big-scary-monsters-topshelf-alve.html Nicola Leel und ihre Band Doe veröffentlichen ein Album, das eine Antithese zur männerdominierten Coming-of-Age-Emo-Haltung darstellen soll und stellt klar, dass Männer an den falschen Sachen kranken - Frauen leiden auch, aber einfach mit mehr Auge fürs Wesentliche.
Dass „Grow Into It“, das zweite Album von Doe, dann trotzdem wie ein retrospektiver 90s-Traum in bester Tradition der Breeders, von Pavement oder Weezer klingt, ist eine ironische Randnotiz, denn dieser Zutaten bedienen sich die weinerlichen Männer schließlich auch, um dem Unvermeidlichen den Mittelfinger entgegen zu recken, bevor sie trotzig die Konsole anschmeißen und sich ein Dosenbier aufmachen. Das macht aber insgesamt nichts, weil der Feind die Haltung, nicht der Sound ist, und ein so lässig dahingeschludertes Lo-Fi-Prachtstück wie „Grow Into It“ - die Drums scheppern, die Gitarren auch, aber immer wieder gniedelt sich auf höchst erfreuliche Weise einprägsames kleines Riff in unser Ohr und bringt uns zum Lächeln, und die Gesangsharmonien steigern sich innerhalb von Sekunden von lakonischen Statements zu hymnischen Refrains - ist einfach gemacht für die Unzufriedenheit und das vom Wohnzimmer aus gelenkte Aufrührertum im wachen Geist. Denn dass in der Welt von Nicola Leel alles gut ist, hat ja keiner behauptet: Es ist nur eine andere Form der Wahrnehmung, denn wenn man schon krankt, dann eben wenigstens an den richtigen Dingen. Weil Doe sich bei allem Lo-Fi und der vertrackten Rhythmik von Stücken wie „But It All Looks The Same“ aber immer wieder auch himmlischen Pop-Harmonien öffnen, ist „Grow Into It“ eine formidable Erwachsenwerde-Platte, die die Verspieltheit des inneren Kindes klanglich keinesfalls negiert, aber den Blick insgesamt nach vorne richtet und dich dabei an die Hand nimmt. Das ist klasse und wird nicht nur Frauen gefallen.


Text: Kristof Beuthner]]>
Rezensionen Thu, 04 Oct 2018 15:58:00 +0200
John Metcalfe - Absence [Neue Meister / Edel] http://www.nillson.de/artikel/lesen/john-metcalfe-absence-neue-meister-edel.html Dass sich John Metcalfe bisher unter meinem Radar bewegte, ist insofern eine Schande, dass er zu den gefragtesten Sound-Arrangeuren Großbritanniens gehört und unter anderem mit Größen wie Coldplay oder Max Richter arbeitete. Dass sein fünftes eigenes Album, auf dem er sich mit dem Tod seines Vaters auseinander setzt, ein klangliches Glanzstück geworden ist, überrascht so gesehen nicht wenig.
Die stilistische Bandbreite ist dabei enorm: Vom Celtic Pop von Clannad oder Enya (!) bis hin zum majestätischen Triphop von Portishead und - das sind die stärksten Momente wie auf dem knapp siebenminütigen „Feel The Land“ - dem sphärischen, von energetischen Ausbrüchen getragenen Postrock von Gregor Samsa reicht John Metcalfes Spektrum, und alles vereint sich unter den scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten der Virtuosität, die das so schwer definierbare Genre der Contemporary Classic bietet. So gesehen ist „Absence“ nicht nur thematisch spannend, sondern auch ein klangliches Faszinosum, das die Kitschfalle nicht immer umgeht, sich aber niemals in ihr verfängt. Eine definitiv hörenswerte, Grenzen erweiternde und intensive Platte.


Text: Kristof Beuthner ]]>
Rezensionen Wed, 03 Oct 2018 12:16:00 +0200
Fatherson - Sum Of All Your Parts [Easy Life Records / The Orchard] http://www.nillson.de/artikel/lesen/fatherson-sum-of-all-your-parts-easy-life-records-the-orchard.html Manchmal ist es gut, alles hinter sich zu lassen: Fatherson aus dem schottischen Kilmarnock umschifften nach einem grandiosen Debüt mit ihren zweiten Werk „Open Book“ die Kitschfalle oft nur knapp und fühlten sich nach langem Touren ausgebrannt. Ein Neustart schien die beste Option für Ross Leighton und seine Jungs - so klingt Album Nummer 3 namens „Sum Of All Your Parts“ auch.
Nun also alles auf Null, alles zurück - nicht in Bandbesetzung und Charisma (Ross Leightons wunderbar exhaltierte Vocals dürften uns alles erzählen), wohl aber in Habitus und Songwriting. „Sum Of All Your Parts“ präsentiert uns zwar keine neuen Fatherson und Gott sei Dank auch keine Stilkehrtwende, da wird immer noch kraftvoll-emotionaler Breitwand-Rock gespielt, aber mit weit mächtigeren Riffs und auch mal atonalen Kanten wie am Anfang der Single „Making Waves“, wenn Ross Leighton scheinbar an den ersten Gitarren-Licks vorbei singt, um das Stück dann doch wieder mächtig und strahlkräftig aufzutürmen. Im Opener „The Rain“ starten Fatherson sogar mit einem Klavier bevor die Drums einsetzen und der Bombast-Rock, der die Band nicht von ungefähr ins Vorprogramm von Biffy Clyro oder Twin Atlantic gespült hat, sich Bahn bricht. Doch das Stück bleibt die Ausnahme in punkto Opulenz und Emo-Glanz; „Sum Of All Your Parts“ klingt deutlich rauer und ungeschliffener als beide Vorgänger, strahlt dafür aber eine noch intensiver wirkende Power aus, und man merkt deutlich, dass der Wille, sich über die Konventionen und bereits erhaltene Schubladen zu erheben, der Band Flügel verliehen hat. Die Platte klingt nicht nach einem Kompromiss oder nach gewolltem Rückwärtsgang, mit Postrock-Gitarren und Shoegaze-Elementen sogar stilistisch trotz all der Roughness breiter und offener, vor allem aber deutlich selbstbewusster als die ersten beiden Alben. Das könnte Ross Leighton nebst Band den oben genannten großen Hallen wieder ein Stück ferner rücken lassen, aber das Risiko dürften Fatherson gerne in Kauf nehmen - für so viel spürbare Einigkeit und Selbstvertrauen kann man den Verlust von ein paar Pop-Fans schon mal in Kauf nehmen.


Text: Kristof Beuthner]]>
Rezensionen Tue, 25 Sep 2018 17:49:00 +0200