Artikel 28.03.2012

Von Eulen und Kopfkino

Der Mann hinter dem Mischpult hat ein Cannible Corpse-Shirt an. Das passt dem ersten Eindruck nach nicht wirklich zu den elegisch-noisigen Sounds von Maybeshewill und der Sigur Rós-One-Man-Show des Supports Howard James Kenny. Der Überraschungseffekt liegt jedoch an diesem Montag Abend im Kölner Blue Shell definitiv auf seiner Seite, wie sich im weiteren Verlauf herausstellen wird.

Zunächst beginnt besagter Howard James Kenny pünktlich um 20 Uhr inmitten seiner Effekt- und Loopmaschinen im Sitzen und singt von Eulen und Insekten. Die Fauna ist nicht seine einzige Inspiration, vielmehr präsentiert der jungenhaft wirkende Sänger Lieder von Schicksalswendungen und persönlichen Missgeschicken ganz intim und nur mit Socken an den Füßen.  Die Stücke von seinem Debut ‚Shelter Songs‘, die er im letzten Jahr über Hushed Records veröffentlich hat, verlangen dem Publikum gerade zu Beginn eine große Bereitschaft, sich auf die leisen und mit Bedacht gewählten Nuancen in seinen Kompositionen einzulassen.  Wird das beherzigt, eröffnen sich dem Hörer melancholisch-getragene Kompositionen mit Tiefgang. Ab vom Strophe-Refrain-Prinzip jongliert Kenny routiniert mit Loops, gepickten 9er Akkorden und perkussiven Elementen und rauschenden Sounds, denen zeitweise durch einfache Beats oder durchgeschlagene Akkorde mehr Nachdruck verliehen wird. Die englische New Wave Of British Heavy Metal-Gazette Kerrang! schreibt: „he managed to blow everyone away with his sensational set“. Da haben sie Recht.

„Hi, we are from Leicester, thanks for coming out tonight‘ begrüßen Maybeshewill die Anwesenden und starten ohne weiteres Vorgeplänkel lautstark in ihr Set. Trotz der überschaubaren Größe des Blue Shells wurde der Sound perfekt umgesetzt, was bei den sehr breitwandigen Parts und diversen Laut-Leise-Passagen der Engländer wahrscheinlich kein leichtes Unterfangen darstellt. Der eingangs erwähnte Death-Metal-Fan ist wider der ersten groben Unterstellung offensichtlich genau auf dem richtigen Platz.  Selbst die eingespielten Film-Samples der älteren Songs fügen sich perfekt ins Klangbild. Bei ‚Not For Want For Trying‘ bedienen sie sich bspw. der 70er Jahre Mediensatire ‚Network‘ und bei ‚In Another Life When We Were Cats‘ wird eine Schlussmach-Szene aus der Bret Easton Ellis Verfilmung ‚Rules Of Attraction‘ integriert. Musik, Film und Sprache stehen filmwissenschaftlich in einer textuellen Interaktion, und bekanntlich sind es meist die von der Musik getragenen Bilder eines Films, die in Erinnerung bleiben. In diesem Spannungsfeld arbeiten auch Maybeshewill. Die 4-minütigen Stücke gleichen Mini-Soundtracks zu Kurzfilmen. Im Interview mit dem düsteren Mosh-Online-Mag the-pit.de anlässlich des letztjährigen dritten Albums (‚I Was Here For A Moment, Then I Was Gone‘) sagte Gitarrist und Gründungsmitglied John Help: „Zu jedem Titel gehört eine Geschichte – manchmal eine lange, manchmal eine kurze“. Mit welchem Inhalt Stücke wie „The Paris Hilton Sex Tape“ gefüllt werden, bleibt dem Hörer selbst überlassen. Musikalisch pendeln sie zwischen Synthie-Klängen und brachialen Riffs, souverän und spielerisch fehlerfrei umgesetzt. Zunächst reduzierte Piano-Themen sacken vollständig in sich zusammen und steigern sich schlagartig in massiv treibende Finale. Bands wie Long Distance Calling (mit denen die Band im letzten Jahr bereits ein paar Dates in Deutschland spielten), As I Watch You From Afar, 65 Daysofstatic oder Mogwai stehen Pate. Vor allem Letztgenannte haben diese Spielart des Post-Rock durch ihr Mitwirken an genre-untypischen Veranstaltungen wie bspw. dem Montreux-Jazz-Fest einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Maybeshewill ist das auch zu wünschen. Überzeugen werden sie alle mal. Das steht spätestens nach dem fulminanten ‚He Films The Clouds Pt 2‘ mit Singalong-Part am Ende des Sets fest. Großes Kino mal anders!


Text: Thomas Markus