Artikel 27.12.2014

The Musikjahr was just incredible!!! - Nillson-Jahrescharts 2014

Zweitausendvierzehn war ein tolles Musikjahr. Für uns persönlich ein besonders erfahrungsreiches. Wir sind von Beverungen über Haldern nach Friedland gereist, haben in Neustrelitz geschwelgt und auf der Reeperbahn Bands entdeckt. Und zwischendurch Musik, Musik, Musik gehört.

Die Geschichte dieses Jahres lässt sich besonders eindrucksvoll an den folgenden 30 Platten erzählen, die Konsens gefunden haben in der Nillson-Redaktion. Wir freuen uns jetzt schon auf ein noch tolleres 2015 mit euch. Viel Spaß beim Lesen - und danke, dass ihr mit uns seid!

Platz 30: Von Spar - Street Life

Es hatte ja in Wirklichkeit überhaupt niemand mehr mit einem neuen Von Spar-Album gerechnet. Dass "Streetlife" dann so klang wie es klang, war aber irgendwo auch wieder konsequent. Vom zappeligen Aufstands-Elektropop des Debüts über den ausufernden Kraut-Noise des Zweitlings "A.Xaxapoya" bauen Von Spar eine Brücke zum disco-infizierten Dancepop und stoßen die Hörer erstmal freudvoll vor den Kopf. Dass dieses Album trotzdem so sehr wuchs, zeigt, dass diese Band nichts von ihrer Strahlkraft eingebüßt hat und wirklich vieles kann und auch darf.

Platz 29: This Will Destroy You - Another Language

Wir haben ja schon viel doziert darüber, wie breit das so schnell als eindimensional abgekanzelte Postrock-Genre aufgestellt ist. Der Sound von This Will Destroy You speist sich so eher aus fiesem Doom Metal und ausunferndem Shoegaze als die üblichen Landschaftsmalereien zu beschwören. Etwas weniger düster und trist klingt "Another Language"; zwischen Elegie und Eruption gönnt sich die Band etwas mehr Eingängigkeit. Im Ergebnis ist die Platte ein höchst einnehmender und zwingender Beitrag zum Postrock-Jahr 2014.

Platz 28: Run The Jewels - Run The Jewels 2

In punkto Rap ist gerade hierzulande einiges in Bewegung gewesen im vergangenen Jahr; den für uns spannendsten Genrebeitrag definierten aber El-P und Killer Mike alias Run The Jewels. Was es so besonders macht? Wenn ich jetzt sage, dass es die stahlharten Beats und die überpräzisen Raps, die weit sind von Gangsta-Gehabe, sowie der enorm zupackende Drive der Kombination beider Charaktere sind, die ein herrlich oldskooliges Gefühl beschwören, werde ich der Klasse dieser Platte wohl trotzdem nicht gerecht. Anhören, mitnehmen ins neue Musikjahr.

Platz 27: Being As An Ocean - How We Both Wondrously Perish

Nach Hardcore kommt folgerichtig Posthardcore und nicht zwingend Indierock. Das wussten auch Being As An Ocean, die im Gegensatz zu den ursprünglich ähnlich gearteten Pianos Become The Teeth nur die musikalische Untermalung etwas flächiger anglichen. Der Rest ist wütendes Geschrei, resignativ, ja, aber dringlich und unbedingt mitreißend. "How We Both Wondrously Perish" macht viel richtig und ist einer der in diesem Jahr zwingendsten Beiträge zu einem Genre, aus dem immer noch eine ganze Menge herauszuholen ist.

Platz 26: Erdmöbel - Geschenk

Eigentlich dürfte "Geschenk" als halbe Best-of-Platte gar nicht zählen. Doch Erdmöbels Weihnachtsliedersammlung ist so zupackend, geistreich und witzig, so rettend für das zu Tode verkitschte Happy-X-Mas-Liedgut und so gewohnt stilsicher, dass wir einfach nicht anders konnten als ihm die Liebe kundzutun, die es verdient hat. Weihnachtsliedergeschenke aus den letzten Jahren treffen thematisch vewandte Evergreens wie "Erster Erster" vom "Krokus"-Album. Und wer "Muss der heil'ge Nikolaus sein" nicht abfeiert, hat es noch nicht gehört. Darauf nen Glühwein mit Schuss!

Platz 25: Desirée Klaeukens - Wenn die Nacht den Tag verdeckt

Mit Desirée Klaeukens kam endlich wieder eine deutschsprachige Songwriterin zu Gehör, die weder zum Pop konvertiert war, noch sich in lakonischen Alltagsbetrachtungen erging. Lyrisch auf höchstem Niveau erzählte die Dame uns von ihren verlorenen und wiedergewonnenen Lieben und wärmte uns die Ohren und Herzen mit einer Stimme, die niemals affektiert klang, sondern den wahrhaftigen Texten eine zusätzliche erdige Bodenhaftung verlieh. Den jahrelangen Reifeprozess dieser Songs hört man ständig: Diese Frau hat sich das, was sie sagen will, lange überlegt.

Platz 24: Alvvays - Always

Die Konsens-Folk-Pop-Platte kam von Alvvays, nur echt mit dem Doppel-V. Erst wollte man aus Abneigung gegen die Namens-Spielerei gar nicht hinhören, dann konnte man sehr schnell nicht anders. Irgendwo in Verwandtschaft zu Belle & Sebastian stehend strotzt "Always" nämlich nur so von Hits, von denen das hymnische "Archie, Marrie Me" und das träumerische "Adult Diversion" nur zwei waren, die einfach nicht aus den Gehörgängen verschwinden wollten. Das ergab ein Album, das wir incl. Frauenstimme so gerne von The Pains Of Being Pure At Heart gehört hätten.

Platz 23: Ought - More Than Any Other Day

Ought aus Montreal gehören zu den wichtigsten Newcomern des scheidenden Jahres. In Haldern tropfte der Schweiß von der Decke des Spiegelzeltes, als das Quartett in dringlicher Schärfe seine psychedelischen Postpunk-Kaskaden auf das Publikum einprasseln ließ, energetisch und mitreißend. Tim Beelers Stimme steht für sich, und obwohl die Hitdichte auf "More Than Any Other Day" nicht unbedingt zwingend groß ist, ist der Gewinn beim Wiederhören riesengroß. Wir legen uns da fest: Diese Truppe wird uns noch häufiger über den Weg laufen.

Platz 22: TV On The Radio - Seeds

Ein neues Album von TV On The Radio ist immer wieder aufs Neue ein Ereignis. Die Band um Tunde Adebimpe setzt Maßstäbe, geht Wege weiter, vergrößert ihren Blickwinkel und tut das immer wieder so stilsicher, dass man sich ehrfürchtig verneigen muss. "Seeds" thematisiert die letzten schwierigen und aufreibenden Bandjahre und Erfahrungen an der Erträglichkeitsgrenze sowie die Überwindung dieser und ist damit ein Album geworden, das in seiner Intensität und seiner stürmischen Dringlichkeit nichts anderes hervorruft als immer wieder Begeisterung.

Platz 21: Dikembe - Mediumship

2014 war das Jahr, in dem Emo wieder auferstand. In der guten Art, nicht in der von Teenie-Magazinen propagierten Modebewegung mit Lidstrich und Tränentattoo. Dikembes zweites Album "Mediumship" gab dem Genre die Hemdsärmeligkeit zurück und nahm ihm den Kitsch. Irgendwo zwischen Nuscheln und Geschrei fand Steven Gray eine Stimme, die packte und pushte, und dazu schleppte das Schlagzeug mit lethargischem Beat zu prägnanten Gitarrenriffs einen Lifestyle zwischen geöffnetem Autofenster, Skatepark und Unzufriedenheit zurück.

Platz 20: Musée Mécanique - From Shores To Sleep

In einem abermals tollen Veröffentlichungsjahr für Glitterhouse stachen Musée Mecanique aus Portland sicherlich hervor. Ihr wunderbar wärmender, facettenreich strahlender Folk, der zwischen mächtig hymnischen und verspukt ausufernden Momenten changierte, riss nicht nur Get Well Soons Konstantin Gropper, der für das Beverungener Label die Vorab-Laudatio übernahm, zu Begeisterungsstürmen hin. Dennoch: Die Brücke zum melancholisch-prachtvollen Prunk des Mannheimers kommt in keinster Weise von ungefähr. Großer Sport.

Platz 19: La Dispute - The Rooms Of The House

Der dritte Longplayer der Band aus Michigan führte Jordan Dreyer und seine Jungs in eine abgelegene Waldhütte, hört hört. Doch kein Langbart-Folk ist zu erwarten, sondern ein brodelnder Kessel mit einem explosiven Gemisch aus Hardcore und Punk, angereichert mit unheimlicher Finesse und dringlicher Emotionalität. Die Erlöse aus den Platteneverkäufen gingen zudem an Einrichtungen, die Jungendlichen an Musik und Kunst heranführen - Mit ihrem bisher stärksten Album ziehen sich La Dispute also gleichzeitig den Nachwuchs heran. Das finden wir mehr als konsequent.

Platz 18: Shabazz Palaces - Lese Majesty

Waren die Genrebeitrage von Run The Jewels und Clipping die vielleicht zwingendsten für den Rap in diesem Jahr, so ist "Lese Majesty" von Shabazz Palaces der faszinierendste. Man muss schon sehr oft hinhören, wenn man sich die verwobenen Strukturen, die den HipHop von Jazz, Ambient und Dub probieren lassen, erschließen will. So wenig eingängig die Platte ist, so aufregend bleibt sie; so wenig kategorisierbar tritt sie in Erscheinung und so fordernd macht sie sich unverzichtbar in den Plattenregalen der Klangexperimentalisten unter der geneigten Hörerschaft.

Platz 17: Flying Lotus - You're Dead!

Flying Lotus gehört ja schon seit geraumer Zeit zu den Garanten für spannende Soundcollagen, und auch mit seinem neuesten Werk "You're Dead!" untermauerte er wieder seine Sonderrolle. Zweifelsohne ist das schwere Kost; die Zwischenräume zwischen Jazz, Funk, Hip Hop und Elektronik bieten eben ja auch so schon viel Spielfläche, aber Flying Lotus lotet die Grenzen ständig neu aus. Das macht die Platte zu einer Herausforderung für den geneigten Gourmet, die Mauern einreißt und ungemein fasziniert. Wird auch im nächsten Jahr entdeckenswert bleiben.

Platz 16: William Fitzsimmons - Lions

Langbart-William gehört sicherlich nicht zu den Interpreten, die sich auf innovative Weise stetig neu erfinden. Er ist aber auch einer von jenen, die das auch nicht brauchen um die Schar der Follower stetig zu erhöhen. Auch "Lions" ist wieder ein vor Wärme und Behaglichkeit leuchtendes Album geworden, das mit "Fortune" eine durch und durch überzeugende Single bot und das uns seit dem Frühjahr die ruhigen, zurückgezogenen Momente im Lieblingssessel verschönert. So lange er das so stilsicher macht, wird er an dieser Stelle immer wieder auftauchen.

Platz 15: Damien Rice - My Favourite Faded Fantasy

Die Rückkehr von Damien Rice ins Scheinwerferlicht gehörte fraglos zu den erfreulichsten Wiedersehen des Jahres. Der Ire mit der Samtstimme, dem nach der Trennung von Lisa Hannigan so lange nicht nach Schreiben zumute war, hat sich berappelt und ein gar nicht mehr so spärlich instrumentiertes Trennungsalbum aufgenommen - und dieses Gefühl, dass der Mann zu den wenigen Künstlern dieser Zeit gehört, der einem alles erzählen kann, war sofort wieder da. Diese Platte wird uns als Untermalung vieler US-Serien wiederbegegnen.

Platz 14: SOHN - Tremors

2014 war eben auch ein gutes Jahr für die Musiker, die sich im Feld zwischen Soul und Elektronik positionierten. Und "Tremors" vom Südlondoner SOHN war eines dieser Alben, an dem man einfach nicht vorbei konnte. Der Alleskönner, der unter anderem durch Remixe für Kwabs, Lorde und Angel Haze bekannt wurde, erschuf darauf eine pulsierende, sphärische Form von Nachtmusik, deren Sogkraft man leicht verfiel. Und da SOHN einer ist, bei dem die Lyrics vor dem Sound erdacht werden, hat er auch noch eine Menge zu erzählen.

Platz 13: Chet Faker - Built On Glass

Nicholas Murphy alias Chet Faker gehörte zu den umtriebigsten Künstlern des Jahres. Neben diversen Festivalshows und hochgejubelten Kollaborationen mit Flume erschien eben auch das heiß erwartete Debütalbum, das sich mit seiner enorm gefühlvollen Mischung aus House, Soul und Pop nicht nur in die Herzen von Bescheidwissern fräste. Hype hin oder her, Ehre, wem Ehre gebührt - Die Begeisterung um Chet Faker ist das Resultat eines mit äußerster Feinfühligkeit erdachten Sounds, der eben sowohl Nischenhörer als auch die Pop-Crowd einsammelt und an sich bindet.

Platz 12: clipping. - CLPPNG

Und Sub Pop öffnete sich dem Rap noch ein Stückchen weiter. Nun also auch Clipping, und wieder ist es nicht bloß Rap, sondern ein Schritt in die Zukunft, für das Genre, für die Musik. Daveed Diggs, Jonathan Snipes und William Hutson codieren Konventionen um, spielen mit Alltagsgeräuschen, experimentieren mit Beats und Sprechmelodien und kreieren so ein Album, dass in seiner Vielfältigkeit auch beim dritten Hören noch nicht komplett erschlossen werden konnte; das so filigran inszeniert war, das man nichts anderes tun konnte als ehrfurchtsvoll den Hut zu ziehen.

Platz 11: Tiny Ruins - Brightly Painted One

Holly Fulbrooks zweites Album entfachte bei uns die Liebe zu dieser einzigartigen Stimme aufs Neue. "Brightly Painted One" war mehr Pop und insgesamt eindeutiger als sein ebenfalls wunderschöner Vorgänger, dafür aber eben auch nicht mehr ganz so verhuscht und dadurch zupackender, so dass immer mehr Menschen der Kunst von Tiny Ruins verfielen. Allein ein Song wie "Me At The Museum, You In The Wintergardens" ließ verstehen, warum man bei ihr an einen weiblichen Nick Drake denkt. Traumwandlerisch und unendlich romantisch.

Kurztexte: Kristof Beuthner

Platz 10: Mogwai - Rave Tapes

Im Gegensatz zum vorhergehenden Mogwai-Studioalbum "Hardcore Will Never Die But You Will – das mit Hardcore, welcher Art auch immer, nicht unbedingt viel zu tun hatte – trifft der Genre-Verweis im Titel ihres 2014er-Album "Rave Tapes" diesmal tatsächlich zu einem gewissen Grad zu. Schon auf dem Vorgänger verwendeten Mogwai unerwartet viele elektronische Elemente; auf "Rave Tapes« finden sich nun Stücke, bei denen die Synthesizer nicht nur als dem Song Fläche gebendes Mittel eingesetzt werden (wie zum Beispiel bei "Master Card"), sondern die Synthesizermelodien sogar treibendes Element sind (vor allem in "Remurdered" und "Deesh"). Die beiden mit einem Musikvideo bedachten Stücke "Simon Ferocious" und "The Lord Is Out Of Control" dürften dann  dafür gesorgt haben, dass die Entwicklung des Sounds der Band auf ihrem neuen Album als eine Entwicklung hin zum Krautrockmäßigen beschrieben wird – aufgrund ihrer Repetetivität und den  hervorstechenden analogen Elektroniksounds. Dabei finden sich auf "Rave Tapes" auch Stücke wie der Opener "Heard About You Last Night" oder "No Medicine For Regret", die man wegen den in ihnen erzeugten Stimmungen, dem Song-Aufbau und den hinreißenden Gitarren- und Klaviermelodien als eher Mogwai-typisch beschreiben würde. Mogwai schaffen, was man sich von vielen Bands des von ihnen maßgeblich mitbeeinflussten Post-Rock-Genres erhofft: Eine Erweiterung der Möglichkeiten für Musik dieser Art. Dadurch, dass Mogwai sich nicht allein auf die Stimmungseffekte von Delay-Gitarren, getragenem Schlagzeugspiel etc. verlassen, sondern immer neue Elemente (in "Blues Hour" etwa sogar wieder Gesang) in ihre Musik mit aufnehmen, verlieren sie sich nicht in innovationslosen Wiederholungen des ihnen eigenen Sounds, sondern schaffen neue Formen musikalischer Schönheit. (Aiva Kalnins)

Platz 9: Aphex Twin - Syro

Nach 13 Jahren erscheint ein neues Album von dem Mann mit dem berühmten Weirdo-Grinsegesicht unter seinem bekanntesten Pseudonym Aphex Twin. 13 Jahre in denen die Errungenschaften und das Pioniertum von Richard D. James durch die Kooperation mit dem polnischem Komponisten Krzysztof Penderecki in der modernen Klassik und von Künstlern wie James Blake charttauglich verwurstet wurden. Und 13 Jahre in denen der kornische Wahl-Schotte Melodiebögen und vermeintlich gängige Songstrukturen für sich entdecken konnte. Keine Panik, "Syro" ist kein konventionelles Ambient-Weichspül-Album geworden. Tracks wie "180dp", "S950tx16wasr10" oder der Opener "Minipops_67" halten was ihre kryptischen Titel versprechen. Alles, was die 138 auf dem Cover gelisteten, teilweise selbstmodifizierten Sampler, Tool und Höllenmaschinen hergeben, kommt zum Einsatz. Deepe HipHop-Beats, rollende End 90er Drum’n’Bass Bässe, gegen den Strich laufende Synthie-Guidelines und natürlich wird mit den obligatorisch verschrobenen Sprechfetzen gearbeitet – es taucht Vieles auf, wofür der Warp-Katalog in seiner Urform stand. Doch wehe man wähnt sich auf der sicheren Seite. Jeder Track birgt Sounds die sich scheinbar unbegrenzt weiterdrehen und umdeuten lassen. Und was ist gruseliger als der Moment, indem sich etwas möglich Vorhersehbares als gänzlich ungreifbar entpuppt. Das Spiel mit den kleinen, fiesen Doppeldeutigkeiten – das beherrscht James auch 2014 in Perfektion. So please, Come To Daddy, again. (Thomas Markus)

Platz 8: Erlend Oye - Legao

„Treffen sich fünf Isländer und ein Norweger im Studio und machen Reggae...“ Was klingt wie der Anfang eines schlechten Witzes ist im letzten Jahr passiert: mithilfe der isländischen Band Hjálmar hat Erlend Øye ein Indie-Reggae-Pop-Album rausgebracht. Reggae für Reggae-Hasser. Über kaum jemanden hört man so viele Gerüchte wie über Erlend Øye. Er sei mit seiner Mutter nach Sizilien gezogen und genieße jetzt la Dolce Vita. Gehört hat man das 2013 in der Single „La Prima Estate“ und ich hab mich ein bisschen vor dem Album gefürchtet. Das war Italo-Pop mit einem schrecklichen Video, in dem Frauen in Blumenkleidern tanzen und Øye im original italienischen Auto original italienische Sonnenbrille trägt und in hippen Socken vor sinnlosen Wänden steht. Doch dann kam der Herbst und mit ihm Legao. Und Legao hat den Herbst gerettet. Øye hat sich vom Italo-Pop verabschiedet und singt wieder auf Englisch. Ein bisschen was vom Kings-of-Convenience-Schmuse-Style ist noch vorhanden, wird aber durch die ungewohnten Reggae-Rhythmen aufgebrochen, die sich einfach so einschleichen. Hab ich grad mit dem Fuß gewackelt? Ne. Und die Texte? Keine Ahnung. Irgendwas mit Liebe. Ist aber auch egal. Die Musik reicht. Dass Whitest Boy Alive 2014 ihr Ende bekanntgaben, ist traurig. Aber wenn, das, was da irgendwo zwischen Island und Italien in Zukunft noch entsteht, so viel Spaß macht wie Legao, kommen wir damit schon irgendwie klar. (Lydia Meyer)

Platz 7: Pianos Become The Teeth - Keep You

Für Pianos Become The Teeth aus Baltimore markierte das Jahr 2014 eine weitgehende Abkehr vom Screamo-Postrock des bisherigen Schaffens, hin zu herrlich getragenen, hymnischen Rocknummern in der Lücke zwischen The National und Dredg auf der Höhe ihres Schaffens. "Keep You" war eine der Platten, die in ihrer emotionalen Aufgeladenheit und ihrer erdigen Standfestigkeit einen beruhigenden Gegenentwurf zur nicht versiegenden Hipsterpop-Chartsappeal-Quelle bot. "Keep You" erging sich bei aller Trauer nie in Düsternis, sondern hob an und trieb voran durch ihre Tempiwechsel und die konsequente Abwechselung von lauten und leisen Passagen. Opulent und voll klingt diese Musik, aber nie bombastisch oder gar überfrachtet. Dazu ein paar spannende Melodiebögen und die mitreißende Stimme von Kyle Durfey, und fertig war ein Album, das zum nächtlichen Rotweinkonsum genauso geeignet war wie für die hochgereckte Faust. Wenn das die Renaissance des Emo ist, das war allen klar, ist Emo endlich wieder salonfähig und herzlich willkommen dank dieser Band und ihrem vierten Longplayer. (Kristof Beuthner)

Platz 6: Lonely The Brave - The Day's War

Einem Blindflug auf dem Reeperbahn Festival in diesem Jahr, ist es zu verdanken, dass ich auf diese vierköpfige Band aus Cambridge aufmerksam geworden bin. Mit The Days War kommen die Jungs mit einem Debütalbum um die Ecke, welches den Zuhörer vom ersten bis zum letzten Titel fesselt. Gitarre und Gesang verschwimmen stimmig zusammen. Jeder Titel wirkt durchdacht und erweckt den Eindruck, genau dorthin zu gehören, wo dieser letzten Endes seinen Platz auf dem Album gefunden hat. Beginnend mit einem leichtfüssigen Intro, entfaltet sich die Kraft des Albums bereits beim 2. Titel „Trick of the light“ und schon der nächste Song „Backroads“ zeigt, mit seinem gewaltigen Chorus, wozu diese Band imstande ist. Über „Dinosaurs“, „Victory Line“ und „The Blue, The Green“ ebnet sich dieses Kunstwerk seinen Weg zum finalen Song „Call of horses“, welcher der Bezeichnung `Finale´ mehr als würdig ist. Völlig zurecht überschlug sich die britische Presse mit ihren Reviews und ich kann es Ihnen nur gleichtun. Ein ganz, ganz wichtiges Album aus diesem Jahr und wer weiß ob diese Band nicht noch zu Höherem berufen ist. Ich für meinen Teil, bin jedenfalls gespannt den Werdegang weiter zu verfolgen! (Tilo Kracht)

Platz 5: Zinnschauer - Hunger.Stille

Für Jakob Amr war es ein gutes Jahr. Mit dem Trouble Orchestra ist er reichlich herumgezogen und mit seinem alter Ego Zinnschauer, das er allerdings inzwischen als Mehr-Personen-Projekt aufstellt, veröffentlichte er das erste "richtige" Album. "Hunger.Stille" war und ist für Gelegenheitsausflügler in die Schnittstelle zwischen Emo und Songwriter ein schwerer Brocken, bis zum Überlaufen angefüllt mit Metaphern aus der inneren Hölle, an deren Wänden die Schlagworte Liebe, Verlust, Angst und Tod in unendlichen Schriftarten und -größen geschrieben stehen. Für jeden, der Zinnschauer schon etwas länger kennt, vergrößert sich der Kosmos, in dem sich Erzähler und Zuhörer Hand in Hand in einer Spirale winden, in der Zinnschauers Geschichte schlüssig und hochfaszinierend fortgeführt wird. So sperrig es ist, so belohnend ist der Gewinn, hat man sich diesen Kosmos erst erschlossen. Ich bleibe dabei: Zinnschauer ist so ziemlich das aufregendste, was es hierzulande momentan gibt. Dass die Redaktion ihn einhellig so hoch in die Jahresbestenliste stellt, ist eine eindrucksvolle Bekräftigung. (Kristof Beuthner)

Platz 4: Real Estate - Atlas

Wir nähern uns dem Finale und vergeben Platz 4 nach New Jersey an Atlas von Real Estate. Ein Album was früh im Jahr erschien und trotzdem lange auf sich warten ließ. 3 Jahre die man gerne aushält wenn das Ergebnis ein so schönes ist. Ein Album voller lo-fi Pop was uns die Kunst des Weglassens an sich selbst erklärt. Eine Portion Entschleunigung in 10 Liedern die wir dieses Jahr in Dauerschleife hörten und auch beim Immergut Festival auf der Bühne begutachten durften. Mit einer Hand voll Ohrwürmern und dem Nachgeschmack des Festivalsommers ist dieses Album auch am Ende des Jahres noch präsent. Simpel kann also schön sein, wenn es zugleich nicht einfach ist. Wenn es mutig genug ist sich nicht zu verstecken und es gelingt die Dinge auf den Punkt zu bringen. Dann schafft man es in die Herzen der Nillson Redaktion und manchmal auch unter die letzten Drei Plätze der Jahrescharts. Glückwunsch! (Stefan Kracht)

Platz 3: The Notwist - Close To The Glass

The Notwist sind lebende Legenden und dann auch noch in Deutschland lebende Legenden und dann auch lebende Legenden, die ihre Base immer noch in Weinheim (aka Arsch der Welt) haben. Und wenn lebende Legenden vom Arsch der Welt ein neues Album rausbringen, kann es schon mal sein, dass man am Veröffentlichungstag mit schweißnassen Händen im Plattenladen steht. Doch sämtliche Ängste vor diesem aktuellen Notwist-Streich erwiesen sich schnell als unbegründet. Natürlich. Das knistert und piept an allen Ecken und klingt irgendwie immer noch nach früher, immer noch nach The Notwist, immer noch wie "Neon Golden", ohne dass es dabei noch das gleiche wäre. Close to the Glass ist kompliziert und ultrapop, verfrickelt und verschroben, so wie früher und ganz neu, fummelig und klar, melancholisch und doch futuresk. Worte sind zu scheiße für The Notwist. Jahrescharts sind zu scheiße für The Notwist. Platz 3 ist zu scheiße für The Notwist. Trotzdem: Wörter für The Notwist. Jahrescharts für The Notwist. Platz 3 für The Notwist. Weil es nicht drei Mal Platz 1 geben kann. Das ist der einzige Grund. (Lydia Meyer)

Platz 2: Spaceman Spiff - Endlich nichts

Als „Sehnsucht nach „Entschleunigung“ hat Spaceman Spiff sein Anfang 2014 erschienenes Album „Endlich Nichts“ beschrieben. Von Entschleunigung konnte für den gebürtigen Würzburger im Laufe des Jahres wahrlich keine Rede sein. Fünf Jahre nach seinem Debüt „Bodenangst“ spielt der 28-Jährige ausverkaufte Konzerte im Vorprogramm von Marcus Wiebusch und geht auf gefeierte Doppel-Tour mit Enno Bunger. Jeder, der den Weltraummann von Januar bis Dezember live gesehen hat, konnte grandiose Momente in die 2014er Erinnerungsschatulle packen, in der schon längst „Endlich Nichts“ ihren wohlverdienten Platz eingenommen hatte. Es sind die abwechslungsreichen Harmonien und es ist die tragende Dynamik der Arrangements, die Spaceman Spiffs Debüt bei Grand Hotel van Cleef mühelos auf Platz 2 unserer Jahrescharts katapultieren. Es sind Zeilen wie „Du kamst für den Strand unter den Füßen und gingst mit Sand in den Schuhen.“, die schlicht konkurrenzlos sind und vor denen wir uns an dieser Stelle verneigen möchten. Wir freuen uns schon jetzt auf Neues aus dem Hause Spaceman. (Daniel Deppe)

Platz 1: Caribou - Our Love

Wunderkind, Nerd der Herzen, Ausnahmefrickler, Doktor Disco - Was wurde nicht schon alles geschrieben zur Person des studierten Mathematikers Daniel Victor Snaith. Eine Jonglage der Superlative, die ich lieber anderen überlasse. Mein Repertoire aus Fach- Vergleichs- und Vorwissen ist einfach zu gering, um als Analysekünstler im Elektrozirkus zu brillieren. Ich bin ein Indie- und Punkrockkind der 90er – Das werde ich immer bleiben. Aber auch ich höre Musik mit dem Herzen – So sollte es ja auch sein. Und dieser Wahllondoner mit kanadischen Wurzeln hat es mir irgendwie angetan. Das ging mir beim Vorgängeralbum „Swim“ so und findet seine Wiederholung beim aktuellen Longplayer „One Love“. Seit jeher fasziniert mich die Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit dieses Mannes. Als Manitoba feiert er Jazzsampleorgien auf Bigbeats, als Daphni wagt er Ausflüge in die Clubmusik und als Caribou verquirlt er Psychedelisches, Glockenspiel und Technobeats zu einer klebrigen Ohrwurmmelasse. „One Love“ ist etwas eingängiger und poppiger geraten, ohne jedoch belanglos und unkreativ zu wirken. Das Überraschungsmoment bleibt auf Snaith´s Seite. Und in Zeiten, in denen Indie- und Punkrock gefühlt eher stagnieren, bietet das Musikchamäleon mit der Nerdbrille eine gern mitgenommen Abwechslung. Das macht ihn folgerichtig abermals zu unserer Nummer 1. (Jan Bruns)