Rezensionen 25.03.2016

The Dirty Nil - Higher Power [Dine Alone Records / Universal]

Ungebremste Energie und das beste aus einem Jahrzehnt Alternative Rock, vereint in einer Platte: Ganz schön viel Lorbeeren für The Dirty Nil, deren Debüt aber alles gibt, um sämtliche Versprechen mit einem gut platzierten Tritt ins Gemächt zu halten.

The Dirty Nil haben ganz ohne Zweifel ihre Hausaufgaben gemacht. Weezer gehört, Rival Schools, Mclusky, The Hives, Grandaddy. College Rock, Alternative, Grunge, Emo, Noise, Arschrock. Jedes dieser Subgenres hätte schon für sich genommen eine Menge Potenzial, um Moshpits zu evozieren und Fäuste von Karohemdenträgern in Richtung Himmel zu recken. Alles zusammengefasst kann nur etwas ergeben, das „Higher Power“ heißt: Elf Stücke voller Kraft und Outlawdom, von denen nur zwei die Drei-Minuten-Grenze überschreiten. Schöne Randnotiz: Was durch und durch amerikanisch klingt, kommt tatsächlich aus Ontario, Kanada.

Die Breite des musikalischen Territoriums, das The Dirty Nil abstecken, kommt nicht von ungefähr: Luke Bentham, David Nardi und Kyle Fisher wollen nicht Teil einer Jugendbewegung sein; es ist ihnen schlicht egal. Das vereint sie mit Bands wie Heyrocco, deren „Teenage Movie Soundtrack“ ein stilistisch höchst versierter, mit Anlauf ausgestreckter Mittelfinger in Richtung College Punk war, ohne dass die Band sich auf dieses Genre festgelegt sehen möchte. Keine College Band: Das ist nur eine Facette. Wer uns kategorisiert, wird schon sehen, was er davon hat. The Dirty Nil gehen diesen Weg noch deutlich konsequenter: Wo Stücke wie „Zombie Eyed“ noch deutlich an das Songwriting Rivers Cuomos angelehnt sind, vereint der Opener „No Weaknesses“ das beste aus Weezer-Euphorie und Howlin‘ Pelle Almqvist-Rock’n’Roll. „Violent Hands“ ist zuhause im Noise, erschlägt einen fast mit Luke Benthams Geschrei zu den mächtig krachend-treibenden Riffs, bei denen man gar nicht anders kann als sich bewegen. Das ist auch noch so eine Sache: The Dirty Nil tun sich in ihrer Jugendlichkeit zu keinem Zeitpunkt selber leid. Die rohe Energie, die Spielfreude, das Aufrührerische dieser Zeit verpacken sie in ein mächtiges Pamphlet für eine Zeit voller wahnwitziger Ideen und das Gefühl, dass einem die Welt gehört, auch wenn sie eigentlich scheisse ist. „Know Your Rodent“, „Wrestle Yü To Hüsker Dü“, das nur 44 Sekunden lange, mitreißend Punk und Hardcore verbandelnde „Fugue State“ oder „Bruto Bloody Bruto“: „Higher Power“ steckt dazu noch voller Hits, die erahnen lassen, wie eine Liveshow des Trios aussehen muss. Das riecht nach Bier und Schweiss, Kippen und Gras, und beim Pogen muss man aufpassen, das man sich nicht den Kopf an der niedrigen Decke des Kellerclubs in deiner Kleinstadt stößt. So auf den Punkt präzise, keine Luft zum Atmen lassend, mitreißend, niederringend und zwingend in jeder Hinsicht ist diese Platte, das einem eigentlich nur noch ein Wort dazu einfällt: Gei-el.


Text: Kristof Beuthner