Rezensionen 07.10.2018

Svavar Knútur - Ahoy! Side A EP [Dimma / Believe]

Unser liebster isländischer Folkbarde hat eine richtige Band bekommen. Schon sein letztes Album „Brot (The Breaking)“ erklang im ausladenderen Gewand; was Svavar Knutur aber teilweise auf der „Ahoy! Side A“-EP bietet, haben wir so von ihm noch nicht gehört.

Bisher war der Troubadour, dessen sanfter, zerbrechlicher und zumeist auch überaus kathartischer Folkpop traditionell im krassen Gegensatz zu seinen höchst unterhaltsamen, tierisch lustigen und teilweise ganz schön schwarzhumorigen Live-Ansagen steht, auf seinen Alben immer eher sanft unterwegs gewesen, in der Regel sogar nur von Gitarre und/oder Ukulele begleitet, allenfalls mal von nettem Schmuckwerk aufgehübscht. Dass er es auch anders mag, deutete er auf seinem 2015 erschienenen bis dato aktuellsten Album „Brot (The Breaking)“ an; schon da wandte er sich klanglich deutlich offensiver dem Bandformat zu. Aber mit dem Opener seiner neuen EP, „The Hurting“, überrascht Svavar Knutur dann doch gehörig: Mit stoisch stampfendem Schlagzeug, elektrischer Gitarre und verzerrten Vocals, die sich zu einem hymnischen, beinahe schon geschrieenen Refrain steigern, hat dieser Typ zum ersten Mal einen waschechten Rock-Song im Angebot. Passt aber auch zum Thema, immerhin geht es darum, dass es im Leben immer wieder zu Situationen kommt, in denen der Schmerz über das eigene Selbstbild, den Verlust von Freunden und Verwandten oder sonstige Alltagsgeißeln Überhand zu nehmen droht - die Kunst allein ist, sich nicht davon in die Tasche stecken zu lassen. Kraftvoller hätte Mr. Knutur uns diese Form von Haltung nicht nahe bringen können. Und auch das isländisch gesungene „Morgunn“ klingt anders als man es vom Soundspektrum Svavar Knuturs gewohnt ist, bietet Synthesizer-Einsprengsel, Streicher und verhallte Gitarren; so geht skandinavischer Folk-Pop, der das eine Auge auf die 80s und das andere auf Americana geworfen hat. Ach, und dann wäre da noch „Cheap Imitations“, das fast schon Synthie-Pop ist und als einziges der neuen Stücke nicht so recht zünden will.

Dazwischen aber serviert uns Svavar Knutur seine Kunst so, wie wir sie kennen und schätzen: Auf dem schwelgerischen „Lady Winter“, dem wunderschön heimeligen „Haustvindar“ und den Neuvertonungen von vier alten Stücken („Undir Birkirtré“, „Ölduslod“, „Yfir holá og yfir haedir“ und „Tiger & Bear“), für die der Isländer zuvor nicht die finanziellen Mittel, die Zeit oder die Erfahrung hatte, um sie so klingen zu lassen, wie er sie sich vorstellte. Dass diese vier auf „Ahoy! Side A“ mit dabei sind, gibt er EP noch einen schönen Zeitreise-Touch. Nicht, dass man das so bräuchte: Nach wie vor sind Svavar Knuturs Songs vollkommen zeitlos und schlicht wunderschön; jedes neue musikalische Lebenszeichen von ihm setzt da noch eine kleine Stufe obendrauf, und so ist die neue EP ein schönes und dank des neuen Soundgewandes auch spannendes Wiedersehen. Sagt ja keiner, dass man sich immer das gleiche erzählen muss, wenn man sich nach langer Zeit wieder trifft.


Text: Kristof Beuthner