Rezensionen 28.04.2017

Sorority Noise - You're Not As _____ As You Think [Big Scary Monsters / Al!ve]

You’re not as… as what? Happy, jealous, sad, lucky, fucked up? Es ist manchmal auch nicht leicht, das passende Wort zu finden, wenn man, getrieben von innerer Zerrissenheit und Weltschmerz, den Zustand seines Gegenüber benennen soll. Nichtsdestoweniger haben Sorority Noise das bisher beste Emo-Album des Jahres veröffentlicht.

Es ist ja nun definitiv nicht so, dass wir, gleich Sänger einer Band oder einem Ottonormalverbraucher, die Pest an den Hals wünschen. Ebenso unumwunden steht allerdings fest, dass der Kampf mit den inneren Dämonen die faszinierendste Kunst hervorbringt. So ist das eben auch im Fall von Cameron Boucher, der auf dem dritten Album seiner Band Sorority Noise mit einer irren Präzision sein Innenleben nach außen kehrt. Genug Grund, sich von der Welt und ihren Fügungen allein gelassen zu fühlen, hat Cameron jedenfalls: Zwischen diesem Album und seinem Vorgänger hatte er den schmerzlichen Verlust gleich mehrerer enger Freunde zu verarbeiten und durchlebte sämtliche Phasen der Trauerbewältigung sehr intensiv. Er schob weg, negierte, wurde wütend und schließlich unfassbar hilflos und traurig. Und als es ihn so sehr übermannte, dass er gar nicht anders konnte, schrieb er die Songs, durch die er auf „You’re Not As _____ As You Think“ all seinen Schmerz teils heraussingt, teils herausschreit. Das gerät zu einer wirklich intensiven Angelegenheit: Gleich der Opener „No Halo“ erzählt von der Beerdigung eines seiner Freunde, beziehungsweise nur indirekt, weil er selbst nicht ertrug, dort zu sein: „So I didn’t show up to your funeral, but I showed up to your house. And I didn’t move a muscle, I was quiet as a mouse. And I swore I saw you in there while I was looking at myself“. Bouchers Lyrics klingen unverfälscht und unverbogen, man verzeiht ihm hier sogar den obligatorischen house-mouse-Reim; er selbst erklärt offen, dass er seine Texte nicht mehr überarbeitet. Was raus musste, musste genau so raus. Spätestens, wenn er gegen Ende von „A Portrait Of…“ immer wieder „I’m fucking dead!“ brüllt, wird es auch um unsere Kehle enger. Der Mann musste dieses Album so schreiben - und es ist ganz offensichtlich gut, dass er es getan hat.

Zu unserem Genuss trägt dann bei, dass Boucher und seine Band ihre Emo-Verweise zwar ganz offensichtlich nach vorne stellen - Liebhaber der vielen guten neuen Bands dieses leider zu Unrecht so verrufenen Genres werden bei dieser Platte unter anderem auch an Modern Baseball oder The Hotelier mit ihren jüngsten Traueraufarbeitungsalben denken - aber sich auch nicht sperren, eine gute Portion Shoegaze-Grandezza einzubauen, was „You’re Not As _____ As You Think“ auch auf musikalischer Ebene zu einer durchweg runden, ja tatsächlich überaus zwingenden Sache macht. Das bisher beste Emo-Album des Jahres, nicht mehr und nicht weniger: Alles, was da noch kommt, wird sich am dritten Longplayer von Sorority Noise messen lassen müssen.

Text: Kristof Beuthner