Rezensionen 04.01.2016

Pelzig - Medium Cool World [Cargo Records]

Was gab es doch dereinst für tolle Rockbands hierzulande. Slut, Readymade, Blackmail, um mal nur drei zu nennen. Mensch, ja, und Pelzig darf man natürlich auch nicht vergessen. Zumal die Band uns nach satten elf Jahren endlich ein neues Album vorgelegt hat.

Über das schon etliches gesagt worden ist in den letzten Wochen. Mit reichlich Referenzen wurde „Medium Cool World“ da bedacht und nach Herzenslust verglichen. Mit Epigonen und aktuell geherzten Kollegen. So viel und so ausschweifend, dass die Herren bei Facebook eine Liste mit Bands veröffentlichten, denen ihr neuester Streich bereits gegenübergestellt wurde. Nicht zu vergessen der Verweis auf die Renaissance des „Nebenprojekts von Slut“, denn immerhin bestehen Pelzig zu 50% aus Mitgliedern von selbigen. Da kommt Freude auf, und als Schreiberling gerät man umgehend in die Situation, seine Worte weise zu wählen.

Es ist halt so: Pelzig sind eine autarke Band, kein Nebenprojekt. Vergleiche zu ziehen, ist gut, doch Pelzig stammen aus keiner Nachfolgegeneration sondern waren schon am Leben, als es etliche der genannten Bands (Interpol, The National…) noch gar nicht gab. Den elf Jahren Pause lag kein Split zugrunde sondern nur eine zeitweilig stärkerer Fokus auf andere Dinge. Musik gemacht hat man immer noch und ständig. Und überhaupt ist die Band viel zu sehr auf sich selbst konzentriert, als sich über derlei Geschreibsel Gedanken zu machen. Ihre Musik muss raus aus ihnen und Zeit ist da halt komplett relativ; wenn es Leuten gefällt, ist das ein netter Nebeneffekt. „Es gibt nur cool und uncool und wie man sich fühlt“, wie Tocotronic schon wussten, und dank Pelzig gibt es eben nun auch medium cool. Für Liebhaber von lakonisch-energetischer Rockmusik ist dieses Album dann allerdings doch ziemlich cool, weil es in Sachen Druck, Melancholie und dezenter noisiger Hymnenhaftigkeit eine ganze Menge Sachen zurück bringt, die man heute irgendwie eben nur noch von denen bekommt, in die man schon immer sein Vertrauen gesetzt hat. „Medium Cool World“ schneidet mit seinen prägnanten Riffs, den schleppenden Drums und dem getragen-schwermütigen Gesang Christian Schulmayrs schön ins Herz des ewigen Zweiflers in uns, der im Hipsterpop niemals Erfüllung oder gar Verständnis fand. Die gefühlige Düsternis verrauchter Rockclubs, in denen wir gemeinsam versuchten, die frühen Morgenstunden zur Entschlüsselung dieses seltsamen Apparats namens Leben zu nutzen, hatte schon lange keinen so guten Soundtrack mehr. Dass Pelzig wieder Musik machen, gibt uns den Glauben zurück, dass dieses Gefühl Bestand hat und notwendig ist. Genau wie bei der Band selbst kann kein Establishment, in das man sich während der letzten elf Jahre mehr oder weniger hat fügen müssen, dieses ungreifbare Hadern über Zustände und Gegebenheiten klein halten. Sonst würde Pelzig nicht immer noch so klingen und wiederum so viele Dinge in uns zum klingen bringen. „Medium Cool World“ ist darum keine Zeitreise, sondern ein Statement. Es ist ausnehmend gut, dass wir das so erleben dürfen.


Text: Kristof Beuthner