Artikel 18.03.2018

Nillson-Throwback! Die allerbesten Platten von 2008-2018: Platz 135 bis 121

In meinen zehn Nillson-Jahren hat sich eine ganz schöne Menge an Lieblingsplatten angesammelt. Die möchte ich gerne in den nächsten Wochen mit euch teilen: Lest hier den zweiten Teil über meine 151 besten Alben von 2008 bis 2018.

Ich als Jahrescharts-Spezi war in den letzten zehn Jahren verantwortlich dafür, den Autoren auf die Füße zu treten um eine standfeste Bestenliste zusammenzutragen, auszuwerten und in Rangfolge zu bringen. Das hat mir schon Spaß gemacht, da war ich noch gar kein Teil des Nillson-Teams. Was liegt da näher als die 151 besten Scheiben (plus eine außer Konkurrenz), die mir in der vergangenen Dekade zu Ohren gekommen sind, nun für euch zu ranken?

Ihr findet hier den nächsten Teil einer Liste, die komplett subjektiv und ohne Allgemeinheitsanspruch gilt. So gesehen werden mit Sicherheit einige Platten fehlen, die ihr als einflussreicher, größer oder brillanter erachtet. Dafür könnt ihr euch mit mir erinnern, verlorene und vergessene Schätze bergen und eine kleine Zeitreise unternehmen. Geht los! Lest hier und heute die zweite von zehn Runden und gebt euch die Plätze von 135 bis 121.

Platz 135: Junip - Fields (2010)

José Gonzalez gehört seit seinem Debüt „Veneer“ zu meinen unumstritten Größten. Dass seine Band Junip, in der außer ihm auch noch Elias Araya und Tobias Winterkorn mitspielten, eigentlich schon länger existierte, hatte ich gar nicht auf dem Schirm, und so ist es ja eigentlich kurios, dass erst nach zwei Gonzalez-Solo-Alben via City Slang das erste Junip-Album erschien. Das bekam zurecht durchweg starke Kritiken, litt aber in der Außenwirkung: Ich erinnere mich an zwei Konzerte mit überwiegend enttäuschten Gesichtern im Publikum. Da hatten Leute sich eben wegen Gonzalez die Karten gekauft, nicht wegen dem abgefahren hypnotischen Space Folk, den die Band gerade live schön erdig und ohne große Show zelebrierte. Mit „Rope & Summit“ und „Always“ hatte „Fields“ aber definitiv zwei starke Singles am Start, die im Grunde jeden Albumkauf und jedes Ticket schon rechtfertigten.

Platz 134: Mariachi El Bronx - Mariachi El Bronx II (2011)

Ich feier ja obskure Seitenprojekte sehr, und erst recht, wenn ich damit sogar mehr anfangen kann als mit der Hauptband. The Bronx mögen als Punkband ihre Daseinsberechtigung haben, ich stand immer mehr auf die mexikanische Variante: Mariachi El Bronx. Das ist so bekloppt wie genial, zumal das Konzept absolut zwingend und mitreißend umgesetzt wurde. The Bronx vertonten nicht mal einfach nur ihre eigenen Songs neu, sondern schrieben gleich ganz neue, mit mexikanischen Bläsern versetzte Straßenfeger; da wurde nicht mehr gebrüllt, sondern geschmachtet, extrem überbordend kitschig und bis in den letzten Ton konsequent. Ich kriege immer noch gute Laune wenn ich Songs wie „48 Roses“ höre. Das hätte auch Robert Rodriguez gut gefallen. Irgendwann in Mexiko 2k11.

Platz 133: Kristoffer Bolander - I Forgive Nothing (2016)

Kristoffer Bolander, Sänger der Band Holmes, verabschiedete sich von selbiger, um auf Solo-Pfaden zu wandeln, ohne allerdings die wichtigsten Trademarks seiner Band hinter sich zu lassen: Auch das auf Tapete erschienene „I Forgive Nothing“ ist ein wunderbares Werk zwischen Folk-Filigranesse und schwelgerischem Indie-Pop, das von Bolanders einnehmender Melodieführung und seiner unvergleichlichen Stimme getragen wird. Das Erbe von Holmes auf beeindruckende Verweise nicht nur verwaltet, sondern auch weitergesponnen; mit dem Titeltrack und „Running Man“ mindestens zwei richtig starke Hits im Gepäck: Es ist gut, dass trotz des Splits von Holmes immer noch von diesem Typ zu hören ist. 2018 erscheint mit „What Never Was Will Always Be“ die zweite Platte von Kristoffer Bolander. Das wird ein gutes Jahr.

Platz 132: I Break Horses - Hearts (2011)

Das schwedische Duo Maria Lindén und Fredrik Balck alias I Break Horses bewiesen 2011 einmal mehr eindrucksvoll, wie unheimlich wichtig ein guter Album-Opener ist. Zwar ist „Hearts“ mit seiner unterkühlten Synth-Pop-Düsternis, die Anleihen am Werk von Epigonen wie Slowdive oder My Bloody Valentine nimmt, ein gerade im Gesamtbild ungemein schlüssiges und tolles Album, aber „Winter Beats“ sorgt mit seinem repetitiven, pulsierend flirrenden Synthesizer-Lauf und die starke Dramaturgie schon vom ersten Ton an für Gänsehaut. Maria Lindén singt entrückt und weltfern, das Songwriting ist über jeden Zweifel erhaben: I Break Horses spielten Shoegaze für die Hipster-Generation. Eine völlig zu Unrecht inzwischen komplett vergessene Platte für die kalten Jahreszeiten in uns.

Platz 131: Yamon Yamon - This Wilderlessness (2009)

„This Wilderlessness“ von Yamon Yamon aus Schweden ist tatsächlich eine der Platten, die ich über Nillson entdeckt habe, ohne sie selbst besprochen zu haben. Das hatte Christian Steinbrink, inzwischen ausschließlich beim Intro Magazin, aber damals Teil der Nillson-Bande übernommen. Er hatte mich gekriegt indem er über die Platte schrieb, sie klänge nach den frühen Death Cab For Cutie - ein Qualitätsmerkmal, das bei mir definitiv zieht. Von Ben Gibbards Band haben Yamon Yamon mit Sicherheit die Melodie und das komplexe Songwriting mitgenommen, insgesamt klingt „This Wilderlessness“ mit frickeligen Gitarrenläufen und angenehm zurückhaltenden Vocals aber schön eigenständig. Dazu noch sehr winterlich: Wenn ich das Album heute höre, erinnert es mich immer wieder an den Winter zwischen 2009 und 2010.

Platz 130: Tiny Ruins - Brightly Painted One (2014)

Holly Fulbrook alias Tiny Ruins entdeckte ich - wie so manches, wie ihr merkt - über das Luxemburger Label Own Records. Die Neuseeländerin hatte dort ihr Debüt „Some Were Meant For Sea“ veröffentlicht und es damit zu so viel Ruhm gebracht, dass man sie abwarb und das zweite Album „Brightly Painted One“ via PIAS veröffentlichte. Das war ein ordentlicher Sprung für Tiny Ruins, aber die Platte markierte tatsächlich einen Sprung; klang nicht mehr so verhuscht und zurückgezogen wie das famose Debüt, präsentierte die einprägsame Stimme Fulbrooks in etwas (aber wirklich nur etwas) ausladenderen Folk-Arrangements. Ihre intensiven Vocals sind tatsächlich Holly Fulbrooks ganz große Stärke: Sie verleihen Stücken wie dem immer noch wunderschön „Me At The Museum, You In The Wintergardens“ ein gleichzeitig intimes und edles Flair.

Platz 129: Glasvegas - Glasvegas (2008)

„Glasvegas“ war für mich zunächst eine schwierige Platte; ich brauchte einige Zeit, bis ich mich auf sie einlassen konnte, und als es mir gelungen war, war sie tatsächlich schon seit einem Jahr draußen. Die Band aus Glasgow um James und Rab Allen verpackte ihren mal entfent im Shoegaze, mal in elegischerem Postpunk, dann aber wieder viel zu häufig im überpathetischen Stadionrock beheimateten Sound in so viel Bombast, dass die im Grunde sehr ernsthaften und tieftraurigen Texte über Arbeitslosigkeit und sonstige Alltagstristessen gar nicht recht den Weg in mein Bewusstsein fanden. „Geraldine“, klar, ist bis heute einer meiner Lieblingssongs aus dieser Zeit - die Single, und dafür war das Stück auch prädestiniert. Mit ihrem Debüt hatten Glasvegas dann aber auch den Höhepunkt ihres Schaffens erreicht - ein mediokres Album kam noch, dann verschwand die Band in der Versenkung.

Platz 128: So So Modern - Friends & Fires & 000 EPs (2008)

Arne, damals auch mit Nillson-Ambitionen, und ich waren geplättet wie vom Zug überfahren: Auf einer VISIONS-Party mit The Robocop Kraus und Schrottgrenze (ein mehr als zwingender Mix) eröffneten die Neuseeländer von So So Modern den Abend, die wir überhaupt noch nicht auf dem Schirm hatten und die in Deutschland auch noch recht lange unbekannt bleiben sollten. Aber das Trio überfuhr uns mit einer so furiosen Version von Rave Rock, dass uns Hören und Sehen verging. Erst 2008 erschien dann diese Compilation aus allen bisher vornehmlich digital und in kleiner Stückzahl auf Vinyl veröffentlichten EPs. Das ein Jahr später releaste erste reguläre Album der Band konnte mit so viel Power nicht mehr mithalten; So So Modern hatten ihr Pulver verschossen, aber diese Platte hier ist immer noch ein echt abgefahrener Trip.

Platz 127: Federico Durand - El Extasis De Las Flores Pequenas (2011)

„El Extasis De Las Flores Pequenas“, das Own Records-Debüt des Argentiniers Federico Durand (später sollte er zusammen mit dem Japaner Tomoyoshi Date unter dem Namen Melodia noch ein wunderbares Album veröffentlichen) war eine vornehmlich in Field Recordings und dezente Ambient-Flächen gekleidete Zeitreise in die Kindheit des Künstlers im Haus seiner Großeltern. Die drum herum liegende Natur hat Durand sehr bewusst wahrgenommen, und man wähnt sich geradezu plastisch auf dem Sessel dort mit Blick aus dem Fenster oder auf der Wiese hinterm Haus liegend, versunken in die wundersame Schönheit der dortigen Fauna. Mit „Elin“ verfügt nur ein Stück der Platte über eine Melodie - die ist dann aber auch gleich so einprägsam, dass man sie nie mehr vergisst.

Platz 126: In-Flight Safety - We Are An Empire, My Dear (2011)

Die Kanadier von In-Flight Safety sind ein Überbleibsel aus einer kurzen, aber sehr inspirierenden Zusammenarbeit mit dem sich kurze Zeit später auflösenden Promo-Team von Waggle Daggle. Ich schrieb damals über das zweite Album der Kanadier von In-Flight Safety, „We Are An Empire, My Dear“, es vermische die Quintessenzen aus „Reconstruction Site“ von den Weakerthans, „Transatlanticism“ von Death Cab For Cutie und „We, The Vehicles“ von Maritime, und würde ich diesen herrlich emotionalen Indiepop heute zum ersten Mal hören, würde ich das selbe sagen. Das Album erinnert mich an eine tolle Zeit in der ein guter Freund von mir mich regelmäßig besuchte und er immer eine neue Idee oder Empfehlung von mir mitnahm, wenn ich sie ihm nicht zum Geburtstag schenkte. Die Single „Model Homes“ hörte ich dann bald auch in seinem Auto.

Platz 125: Francis International Airport - In The Woods (2010)

Im Jahr 2010 interviewte ich Gary, die Band des Schauspielers Robert Stadlober, auf dem damals noch für Konzerte genutzten Veranstaltungs-Schiff MS Treue in Bremen. Zum Abschied schenkte Robert mir einen Sampler seines Labels Siluh Records, darauf enthalten war auch ein Song von Francis International Airport, der mich sehr begeisterte. Noch im gleichen Jahr erschien deren zweites Album „In The Woods“, das traf sich gut; es war noch ein wenig tiefer, aber auch düsterer als der Song, der mich so neugierig gemacht hatte und fand die Mitte aus emotionalem Indiepop, Shoegaze und Elektronik. „Monsters“ war die Übersingle, die ich zwischendurch immer mal wieder vergesse, bis meine All Time Playlist sie wieder ausspuckt; für mich war es eine der Entdeckungen des Jahres.

Platz 124: Montag - Montag (2009)

Meine Schwester war großer Montag-Fan, reiste einmal aus unserer ostfriesischen Heimat nach Hamburg und verbrachte sogar die Nacht am Bahnhof, um die Band um Julian Friedrich zu sehen. Kurz bevor ihr drittes und bestes Album „Montag“ erschien, spielten Montag sogar in meinem Studienort Vechta, und ich versuchte so viele Leute wie möglich zu mobilisieren, um das Konzert zu besuchen - leider mit durchwachsenem Erfolg, muss ich zugeben. So gut wie auf „Montag“ war die Band noch nie gewesen, hier fand sie ihre größten Pop-Momente. Mit dem bereits aus Live-Auftritten bekannten Udo Jürgens-Cover „Tausend Jahre sind ein Tag“ hatte die Platte auch eine wirklich starke Single-Auskopplung; mit „Ruinen“ befindet sich ein Song darauf, zu dem meine Schwester als Projektarbeit im Dramaturgie-Studium sogar ein Video drehte. Leider löste sich die Band anschließend auf - nach wie vor ein Jammer.

Platz 123: Bonaparte - Too Much (2008)

Was wurden die damals gefeiert: Tobias Jundt galt als DER upcoming Mastermind der hiesigen Indie-Szene; die Live-Shows mit ihrer Mischung aus theatralischem Horror-Fest, Travestie und Komplettabriss wurden schnell legendär, und war man einmal von den visuellen Reizen der Konzerte inklusive Kunstblut und viel nackter Haut satt, wurde sehr schnell deutlich, dass „Too Much“ auch pickepackevoll mit richtig starken Hits für die Indie-Disco war. Da war der Titeltrack, das nach wie vor gefeierte „Anti Anti“, das famose „I Can’t Dance“ und der obligatorische, sich in schwindelerregende Geschwindigkeit steigernde Closer „Gigolo Vagabundo“. Für mein Befinden verloren Bonaparte danach aber merklich an Substanz; „Too Much“ ist das einzige Album der Band, das ich mochte - dafür aber sehr.

Platz 122: Leoniden - Leoniden (2017)

Seit die Leoniden aus Kiel sich mit Zinnschauer Jakob Amr am Leadgesang verstärkten, geht es ganz steil bergauf für die Band, die sich ganz bewusst gegen Hamburg of all places entschieden hat (was sie sehr schön in der Single „Nevermind“ thematisiert) und nun eben von Schleswig-Holstein aus die Republik erobert. Was im vergangenen Jahr bei den Leoniden ging, ist kaum zu fassen: Ausverkaufte Shows in ganz Deutschland, der New Music Award und ein Album, das extrem schwer kategorisierbar ist und gerade dadurch seinen ungeheuren Reiz entfaltet. Rock, Pop, Soul, Funk, Dance, Prog, ja manchmal beinahe schon Mars Volta-eske Strukturen und Live-Shows, bei denen man denkt, gleich geht alles inklusive der Band kaputt vor lauter Energie. Weil das nicht passiert, sind die Leoniden immer noch die derzeit tighteste Band dieses Landes mit einer goldenen Zunkunft vor sich.

Platz 121: I Break Horses - Chiaroscuro (2012)

Nach dem wundervollen weil sehr fragilen Debüt „Hearts“ legte das schwedische Duo I Break Horses auf „Chiaroscuro“ noch eine Schippe drauf: Vor allem eine Schippe Pop, die den bis dato so düster-fragilen Shoegaze-Hymnen ein ganzes Stück mehr Unwiderstehlichkeit hinzufügte. In punkto Atmosphäre hatten Maria Lindén und Fredrik Balck nämlich nicht das Geringste eingebüßt, da hatte immer noch alles Hand und Fuß. Dass I Break Horses als Support für Sigur Rós spielen durften, sprach Bände. Und war vom Debüt vor allem die Grundstimmung und „Winter Beats“ als einzige Single nachhaltig im Gedächtnis geblieben, waren nun auch die anderen Songs als eigenständige Stücke richtig stark, vor allem natürlich die Auskopplung „Denial“, aber auch das siebenminütige „Medicine Brush“.


Texte: Kristof Beuthner