Fundgrube 21.10.2017

Mit de Niro durch Berlin: Christian Brückners Ode an die große Stadt

Die Stimme Christian Brückners ist untrennbar mit der Traumfabrik Hollywoods verbunden. Genauer gesagt: Mit Robert de Niro, der über die Jahre durch Filme wie „Raging Bull“, „Taxi Driver“ oder „Goodfellas“ einer meiner Lieblingsschauspieler wurde.

So gesehen ist es eigentlich nur konsequent, wenn natürlich auch reichlich ungerecht, den berühmten Synchronsprecher Brückner immer mit dem Gesicht de Niros vor sich zu sehen. Natürlich muss man damit auskommen, wenn man diesen Job macht - und ganz unvorteilhaft ist es für eine Veröffentlichung wie „Brückner Berlin“ sicherlich auch nicht. Der Mann hinter dieser unfassbar einnehmenden Sprechstimme, die auch Schauspieler wie Harvey Keitel oder Peter Fonda in ihren deutschgefassten Filmen eine wunderbar intensive Aura verlieh, hat inzwischen sogar schon mehrfach den Deutschen Hörbuchpreis verliehen bekommen, auch ist er Träger des Adolf-Grimme-Preises. Er war an mehreren unterschiedlichen Musikproduktionen beteiligt, so gesehen ist das, was er mit „Brückner Berlin“ veröffentlicht, kein Neuland für ihn - insofern aber dann doch, weil er schon so lange davon träumte, seiner Heimatstadt Berlin (das ist sie nunmehr seit 30 Jahren) ein klangliches Denkmal zu setzen. Zusammen mit dem Komponisten Tim Isfort, mit dem er bereits vor 20 Jahren im Rahmen des Tim Isfort-Orchesters zusammenarbeitete, und dem Texter Antek Krönung schuf er nun eine ganze Palette poetischer Songkleinodien zwischen Jazz, Bossa Nova und Chanson, die die große Liebe zu dieser großen Stadt ausdrücken, ohne ganz vordergründig von ihr zu handeln.

Das ist auch genau die Stärke dieser Platte. Sie spielt nicht mit Lokalkolorit oder plakativer Stadtromantik, lässt den Blick nicht von schwarz zu blau über grau schweifen. Sie inszeniert Christian Brückner als in die Jahre gekommenen Lebemann, der die Liebe zum Leben und seiner Schönheit nicht verloren hat, sondern sie umso mehr genießt, privat glücklich, gut situiert dort, wo er sich am wohlsten fühlt. Erst im dritten Stück schüttet Brückner den Haupstadtflavour aus: „Berlin, bei dir kann man von der Liebe leben, nicht nur am Prenzl’Berg und in Friedrichshain / Ich seh‘ die Jungfrauen auf Rädern durch die Straßen fegen und denk: Ach ja, so schön sportlich müsste man sein“. Da erinnert er an den großen Henri Salvador an der Côte d’Azur, unterm Sonnenschirm sitzend, die Zigarre in der einen, ein Glas in der anderen Hand; gibt den Bon-Vivant, der viel gesehen hat, der erträgt, dass die Jugend geschehen ist und das Flair doch geblieben. Voller Poesie sind seine Texte, in denen der Blickwinkel kontinuierlich vom Parksitzer, vom Nachtschwärmer, vom sinnierenden Träumer zum rastlosen Großstadtmenschen wechselt. Was spannend ist, weil Brückner es schafft, den Lebemann mit dem introspektiven Privatmenschen in Einklang zu bringen und das Ganze in ein mehr als stilvolles musikalisches Gewand zu kleiden - da haben seine Mitstreiter Krönung und Isfort ganze Arbeit geleistet.

Das Schönste aber an diesem wunderbaren Album ist, dass man sich - und hier kommt dann doch wieder die leichte Ungerechtigkeit der Sache ins Spiel - permanent neben Robert de Niro wähnt. In der Bar mit Blick aus dem Fenster, bei gemäßigtem Schritt mit hochgeklapptem Mantelkragen zur Zigarette die Stadt betrachtend, ein bißchen wie in der Rolle des legendären Noodles in Sergio Leones „Es war einmal in Amerika“. Aber auch abends, wenn die Nacht die einen Menschen in den Schlaf wiegt und den anderen keine Ruhe lässt, im Sessel sitzend, vertieft im guten Gespräch mit einem, der viel sieht und viel gesehen hat, worüber er seine Betrachtungen mit dir teilt. Bei all den Rollen, in denen wir de Niro mit Brückners Stimme inzwischen gesehen haben, all den filmischen Momenten, die wir mit dem Duo geteilt haben, mag dieses Album eine betörend schöne, lyrisch edel gereifte und intellektuell stimulierende Angelegenheit sein. Vor allem aber eine Musik gewordene Reise mit de Niro durch Berlin, von der man fast gar nicht zu träumen gewagt hätte.


Text: Kristof Beuthner