Artikel 26.09.2015

Märchen schreibt man nur einmal im Jahr. Nillson bei der Tour of Tours in Köln.

Wenn an einer Sache soviel Herzblut hängt, wenn einige der talentiertesten Musiker der deutschen Musikszene nebst befreundeten Acts aus den Niederlanden und den USA gemeinsam auf Tour gehen, wenn diese Musiker in den einzelnen Städten weitaus mehr als ein Set, sondern ein überraschendes, dramaturgisch abgestimmtes Bühnenschauspiel präsentieren, dann mag man eigentlich nur sagen: "Das ist neu. Das ist toll. Wir wollen mehr davon."

Das besonders Tolle an der Tour of Tours ist, dass die Musik und nur die Musik im Mittelpunkt steht. Auf der Bühne sieht das Publikum eine eingeschworene Gemeinschaft, die nicht nur an den Abenden von Hannover bis Essen in diesem September sporadisch zusammenfindet. Tour of Tours startete bereits im Mai 2013, als bei einem Konzert von Honig und Town of Saints in Berlin alle übrigen Protagonisten der Supergroup zunächst als Besucher anwesend waren und anschließend jedes verfügbare Instrument gegriffen wurde. Der Abend endete, so ist es fast schon Legende, mit einer dicken Wand aus Indiefolk. Das Publikum war begeistert.

Die Idee "Tour of Tours" wurde aus einem wunderbaren Moment geboren und Anfang dieses Jahres zum ersten Mal in die Tat umgesetzt. Honig, Town of Saints, Jonas David, Tim Neuhaus und Ian Fisher formten ein famoses Konzept, bei dem die einzelnen Mitglieder der Supergroup sich in unterschiedlichen Konstellationen gegenseitig bei ihren Songs begleiteten. Im Frühjahr klang das ein bisschen wie die gute Variante eines Musicals, wie eine große faszinierende Indie-Folk-Oper, mit ehrlicher Musik von begnadeten Künstlern.

Auch den Musikern, die sonst in ihren ursprünglichen Kombos eher im Hintergrund blieben,  – wie zum Beispiel Honigs Martin Hannaford – wurde eine Plattform geboten. Alles war durchdacht, alles war aufgebaut auf dem Gedanken einer musikalischen Gemeinschaft, die eine große Reise durch die Republik unternimmt, um den Zuschauern in jeder Stadt einen guten Abend zu machen. Der vor der Tour in diesem September erschienene Sampler beinhaltet von jedem Künstler zwei Songs, die alle große Songwriter-Kunst versprechen. Es ist schlicht ein Projekt, das man mit vollem Herzen unterstützen möchte.


Mit diesem Gefühl waren wir am vergangenen Montag im Kölner Gloria. Wir verließen das Gloria mit einem anderen Gefühl, nämlich dem, dass man solch überraschende Momente vielleicht nur einmal bekommen und immer nur in einem begrenzten Zeitraum Feuer entfacht werden kann. Es blieb der Eindruck haften, dass sich die Spontanität, Spielfreude und Überraschungen, die die erste Tourrutsche mit sich brachte, bei diesem Auftritt in einer zu stringenten Taktung und Routine verfestigte. Die Aufbruchstimmung aus dem Frühjahr blieb dabei auf der Strecke. Vielleicht lag es daran, dass die Reihen des Gloria nur mäßig gefüllt waren. Verständlicherweise spielt es sich vor einem ausverkauften Haus besser.

Natürlich waren da diese Highlights eines Auftritts der Tour of Tours, wie der Soundtrack "Song of Songs" oder die Stücke von Honig wie "For Those Lost At Sea", die auf der Bühne orchestral zelebriert wurden. Aber es war dann auch leider nicht mehr als ein gutes Konzert einer "normalen" Indieband. An wenigen Stellen hatte man den Eindruck, dass das Publikum eingefangen vollends wurde. Die ehrliche Popmusik eines Jonas David, der gefühlvolle Indierock von Town of Saints – all dies bestach einzeln, in der Gemeinschaft hatte es bei weitem nicht die Intensität der Tour im Frühjahr.

Es wäre vielleicht schön gewesen, die Routine zeitweise aufzulösen und in Köln, wie auch bei jeder anderen Station der Reise in den jeweiligen Städten beheimatete Gastmusiker einzuladen, die noch aktiver als es bei den Supportacts der Tour der Fall war in das gesamte Set aufgenommen werden. In den Städten ließe sich bestimmt auch die ein oder andere Musikerin in das Projekt einbinden und supporten. Dies könnte dem weiteren Verlauf der Tour of Tours neuen Effet geben. Vielleicht war für ein weiteres Märchen die zweite Rutsche der Tour of Tours aber auch zu nah an der ersten. Ende 2016 kommen wir gerne wieder vorbei und lassen uns überraschen.

Text: Daniel Deppe
Fotos: Björn Giesenbauer, Tour of Tours