Artikel 10.02.2016

Konfettiregen zum Wochenstart: Nillson bei Tame Impala in Berlin.

Ein grauer Montagabend im Februar an der U-Bahn-Station "Platz der Luftbrücke" am ehemaligen Flughafen Tempelhof. An einem gewöhnlichen Wochentag fristet die Station ihr Dasein als Bahnhof für Pendler, Anwohner und Besucher des Tempelhofer Felds. Abends um 20 Uhr ist die Fahrgastfrequenz immer dann höher, wenn in der benachbarten Columbiahalle ein Konzert stattfindet. So war es auch an diesem Tag. Tame Impala spielten.

Die Menschen, die am Platz der Luftbrücke ausstiegen, ließen sich für den gewieften Konzertbesucher recht schnell zuordnen. So wie bei jedem Oasis-Konzert die Parkadichte in Tempelhof eklatant zulegte, so scheint es, als prägt die australische Band ebenfalls eine ganz besondere Sorte Fan. Langhaarig, hippiesk, die männlichen Besucher kinnbärtig. Auf dem Weg zur C-Halle säumten allerhand Ticketverkäufer und einige Ticketsuchende den Weg. Schlechte Voraussetzungen für einen fairen Deal. Erstere packten knapp die Hälfte des Originalpreises auf den Verkaufspreis drauf, zweitere nahmen im Anflug von Verzweiflung fadenscheinige Angebote an. Es war die heißeste Veranstaltung des Abends in der Hauptstadt. Die Menge an Menschen, die sich auf der Facebook-Seite des Events tummelten und sich gegenseitig Tickets zuschoben, hatte Seltenheitswert. Wohl dem, der sich frühzeitig mit einer Karte eingedeckt hatte.


Wohl auch dem, der es flugs in die 3.500 Menschen fassende Halle schaffte, um sich eine Kaltschale und einen annehmbaren Platz für den Abend zu organisieren. Der erneute Blick ins Publikum: Tame Impala sind so groß geworden, weil ihre Musik generationenübergreifend wirkt. Die Älteren, die mit dem Psychedelic Rock der 1960er Jahre aufgewachsen sind und für die John Peel mehr als ein Radiomoderator war; die 30 Jahre Jüngeren, die im Alternative Rock à la Kings of Leon, The Black Keys oder Portugal. The Man zuhause sind. Große Bands zeichnet aus, dass sie eine dicke Klammer um unterschiedliche Altersgruppen schlagen, ihre Idole rezitieren und gleichzeitig neue Klangwelten erschaffen. Tame Impala schaffen genau das.

Die Band aus Perth um Mastermind Kevin Parker entwickelte ihre Sound seit dem Debüt "Innerspeaker" konsequent weiter. Wenn man die Entwicklung bis hin zum 2015er Album "Currents" betrachtet, sind Tame Impala mit Songs wie "The Less I Know Better" der perfekten Komposition mit jeder Produktion ein Stückchen näher gekommen: Neu, rockig, tanzbar und mit hohem Wiedererkennungswert.

Als Kevin Parker (Gesang, Gitarre), Dominic Simper (Gitarre), Jay Watson (Keyboard), Julien Barbagallo (Schlagzeug) und Cameron Avery (Bass) dann die Bühne der C-Halle betraten und ihr knapp zweistündiges Set spielten, war es, als ob das Geburtstagskind die Kerzen auf der Torte ausblies. Erwachsene Menschen, die sich im Konfettiregen in den Armen lagen und textsicher Job, Politik und Wetter vergaßen. Die Welt da draußen war spätestens dann egal, als die Band "Elephant" anstimmte und sogar einige Besucher zum Pogen ausholten. Stagediving unter der Diskokugel, während die Konfettimaschine erneut angeworfen wurde.

Ein faszinierendes Set, das in einem "Feels Like We Only Go Backwards" gipfelte, das wohl selten mit größerer Inbrunst von einer Menschenmenge gesungen wurde. Da sei auch das Cover von Rihannas „New Person, Same Old Mistakes“ ganz am Ende des Sets verziehen, das dann insgesamt doch zu nah am Original war. "It feels like I only go backwards baby.", hörte man auch auf dem Weg zum Platz der Luftbrücke noch den Nebenmann summen. "Every part of me says go ahead."

Die besten Arbeitstage sind die nach solchen Konzerten, wenn man halb müde vom wenigen Schlaf und halb benebelt von all den Eindrücken seinen Dienst bestreitet. Bis zum nächsten Kindergeburtstag für Erwachsene mit Tame Impala.

Text: Daniel Deppe