Fundgrube 11.12.2012

Kampf den Carnivoren: Mit Kochen, ohne Knochen!

Ja, auch ich gehöre zu der Spezies Mensch, die ohne ihr Stück Fleisch nicht leben möchten. Ich liebe ein saftiges Steak ab und zu; ich brauche ab und an meinen Hamburger und auf den Festivals und im Stadion gehört die gegrillte Wurst für mich eben dazu.

Aber: ich gehöre nicht zu der Spezies Mensch, die darum behauptet, ohne Fleisch sei Essen nix. Ich liebe vegetarische Gerichte, und wenn ich mir meinen Speiseplan so anschaue, stelle ich fest, dass ich sogar häufig vegan koche, ohne das explizit zu merken. Womit wir beim Thema wären.

Uschi Herzer und Joachim Hiller sind Kollegen vom Ox-Fanzine. Punks. Die gerne kochen. Und die vegan leben. Das schon lange und äußerst kreativ. Und die ihre Kreativität gerne mit anderen Menschen teilen. Darum veröffentlichten sie vor kurzem das schon insgesamt fünfte "Ox-Kochbuch", das dieses Mal den Titel "Kochen ohne Knochen" trägt und insgesamt, so der Untertitel, "mehr als 200 vegane Punk-Rezepte" enthält. Genauer müsste man also sagen: "Kochen ohne Knochen, Gräten und andere tierische Produkte", aber nun wollen wir mal nicht haarspalten.

Sondern lieber Gemüse schälen und schneiden, Tofupackungen öffnen, herausfinden, was Seitan eigentlich ist und Dauerkunde beim Naturkostladen um die Ecke werden. Denn "Kochen ohne Knochen" ist merkbar mit Liebe gemacht und macht Appetit auf die vegane Alternative. Die Rezepte sind wirklich von erlesener Vielseitigkeit, und nicht nur Herzer und Hiller sind als Urheber vertreten: Auch Freunde, Verwandte und befreundete Musiker wie Kurt Ballou von Converge (sein Beitrag: "Oven Roasted Mango Tofu over Purple Rice") sind mit Gerichten vertreten.

Das reicht von Suppen und Salaten über Hauptgerichte und Desserts bis hin zu ganzen Menüvorschlägen, und Gerichte wie der "Highway-Car-Crash-Salat", "Scharfe Linguine in Zitrone mit gegrillten Auberginen und Petersilie", "Balinesisches Gemüse-Chili-Curry" (generell ist die gesamte Curry-Ecke grandios bestückt) oder "Apfel-Marzipan-Amaretto-Muffins" machen wirklich mächtig Appetit und Lust auf mehr.

Und Uschi Herzer und Joachim Hiller wären nicht vielseitig interessierte Schreiberlinge mit Punkerherz, wenn sie nicht zu jedem Gericht den passenden Soundtrack empfehlen würden. So empfehlen sie "Love Song" von The Damned zum "Carpaccio alla Verdura", "Appeal To Reason" von Rise Against zur "Spicy Kürbissuppe" und "Worship" von A Place To Bury Strangers zum "Tofu-Kräuterquark". Eine gute Idee; Leser dieses Buches dürfen sich den ein oder anderen Euro zur Vervollständigung der Plattensammlung an die Seite legen. Dass Punks es allerdings auch mit Coldplay oder Bryan Ferry halten, ist mir neu, aber auch hier möchte ich wieder gar nicht haarspalten.

Apropos Haar: wenn man ein Haar in der Suppe (höhö) finden möchte, dann könnte dieses in der sprachlichen Aufbereitung des Buches liegen. Grafisch ist "Kochen ohne Knochen" auch keine Bombe, es gibt kaum appetitanregende Fotos zu betrachten, aber dafür versprüht es einen angenehmen selfmade-Touch, und Punks sind eben keine Mälzers und Kleebergs. Geschenkt. Aber dem passt sich eben auch der Jargon an. Und natürlich muss man in einem Kochbuch, das sich selbst den Stempel "Punk" verpasst, keine sprachlich hochtrabenden Ergüsse haben. Da darf es legère zugehen; es darf ruhig gekippt, geschnippelt, gepimpt, beschmiert und gebrutzelt werden, und man kann auch damit leben, sich gegebenenfalls als Pussy bezeichnen zu lassen, wenn man bei der Arbeit mit Roter Bete gerne zum Latexhandschuh greift, um sich die Hände nicht zu verfärben. Aber wenn die Autoren immer wieder Saucen als "Pampe" oder Bratlingsteig als "Matsch" bezeichnen, fördert das nicht unbedingt die Lust auf appetitlich aussehende Speisen. Und das eine Wirsingkohlsuppe zu Flatulenz führen kann, weiß nicht nur der Biologe; ob man sie aber gemäß dem Buch als "Püpschensuppe" unters Volk bringen mag, sei mal dahingestellt. Da hilft es auch wenig, wenn sie beim "Chili ohne Carne" darauf hinweisen, dass die unangenehmen Winde trotz so viel Bohnen immerhin ausbleiben. Ich muss sowas eigentlich in einem Kochbuch nicht lesen.

Aber gut, es geht hier ja um Punks, die sind da vielleicht ein bißchen unkonventioneller und haben sich nicht so wie der ordinäre Kochbuchleser. Wie ich. "Kochen ohne Knochen" ist trotzdem eine spannende Sache, und ich habe definitiv Lust bekommen, mich quer durch das Buch zu probieren. Gut ist halt auch: Fleischosaurier sollen nicht bekehrt werden mit dem fünften Ox-Kochbuch. Sie sollen Alternativen angeboten bekommen, und damit sie auch wissen, was sie da tun, gibt es eingangs ein kleines Referat über vegane Ernährung von Dr. Markus Keller. Finde ich wichtig, denn einfach nur blind auf Fleisch und Tierprodukte zu verzichten, kann schnell mal zu einseitiger Ernährung mit Nährstoffarmut führen - wer's nachliest, kann die Fallen umgehen!

Alles in allem ist das Buch also eine schöne runde Sache. Ob als Anregung für Vegetarier, als Erweiterung für Veganer oder als Alternative für Fleischesser mit Musikgeschmack hat man mit dem Nachkochen eine ganze Menge zu tun und hat nebenbei auch noch guten Sound auf den Ohren.

Und wenn ihr's ausprobiert habt: Teilt uns gerne eure Erfahrungen mit!

Es grüßt euch, euer Sous-Chef aus der Nills Kitchen.



Text: Kristof Beuthner