Rezensionen 14.03.2015

Isolation Berlin - Körper EP [Staatsakt / Rough Trade]

Als Anhänger des Düsseldorfer Punks weine ich dem Ratinger Hof nach. Ich habe die Hochphase des Hofs leider verpasst und doch strahlt dieser Ort, dieser Untergrund-Hub der Siebziger und frühen Achtziger, auf mich eine mythenhafte Faszination aus.

Besonders weinen muss ich, wenn ich den Ratinger Hof in seiner jetzigen Form sehe. Im geschichtsträchtigsten Haus der Ratinger Straße ist nun Indie-Ballermann angesagt. "It’s only rock’n’roll, but we like it." steht an den Wänden. Schon häufiger habe ich mir vorgenommen, in dicken Lettern "Aber wo ist er denn, euer Rock’n’Roll?" mit Edding daneben zu schreiben. 

Das ist nun alles keine Geschichte mehr. Denn seit ein paar Wochen, höre ich immer, wenn mich der alte Punk packt, Isolation Berlin. "Wie eine kraftlose alte Raupe, quält sich die U-Bahn durch die Stadt. Nach Pankow und zurück. Ich hab' die ganze Scheiße satt." Isolation Berlin sind wütend und resignativ. Sie schreiben über das Großstadtleben. Sie schreiben über das letzte Fünkchen Hoffnung, das aufkeimt. Sie geben mit ihrer EP "Körper" eine Meldung zum Status einer verbitterten Gesellschaft.

Aber ist es wirklich so schlimm? Punk gibt wenig Antworten darauf, wie alles besser werden könnte. Das Faszinierende ist aber, dass Punk hilft, sich von Negativem zu verabschieden und Platz für Neues zu erschließen. Isolation Berlin machen genau das in einer erfrischenden Selbstverständlichkeit und bieten damit einen kleinen Gegen-Hype zum blumigen Austropop von Wanda. Klar, an dieser Stelle könnte angemerkt werden, dass es das ja schon mal gab. Dass die Band um Sänger Tobias Bamborschke hier kalten Kaffee aufwärme und dass wir dann doch lieber bei den Originalen Ton, Steine, Scherben und Fehlfarben blieben. Aber diese Anmerkung würde in die falsche Richtung führen. Der Untergang muss auch im Jahr 2015 besungen werden. "Das ist wohl auch der Grund. Der Grund dafür, dass wir so hässlich sind." Auch 2015 braucht es popkulturelle Gesellschaftskritik und Triebfedern, die dem Establishment die Stirn bieten.

Tatsächlich gibt es wenig Wege, die in diesem Frühjahr an Isolation Berlin vorbeiführen. "Schlafen kann ich auch noch, wenn ich tot bin, bis dahin ist noch jede Menge Zeit." Wir schlafen nicht. Wir kramen noch ein bisschen weiter im Punk-Archiv, in dem dann vielleicht auch irgendwann das erste Album von Isolation Berlin seinen Platz einnehmen wird.

Ratinger Hof, übernehmen Sie!


Text: Daniel Deppe