Artikel 21.11.2012

"Ich kann mir von Ozzy Osbourne eine Menge abschauen!" - Spain im Interview.

Es war und ist das großartigste Comeback des Jahres: Spain sind wieder da. Und falls das jemandem entgangen ist, dann ist das auch wieder kein Wunder. Denn lauter ist sie nicht geworden, die Band von Josh Haden, die in den 1990ern ein neues Genre erfand: Den Slowcore.

Auch ihr neuestes Album, "The Soul Of Spain", das im Sommer nach zehn Jahren Pause auf Glitterhouse erschien, glänzt durch seine tiefe Ruhe. Es glänzt durch eine Innigkeit und eine Weisheit, wie sie einen nur einnehmen kann, wenn man ihr zuhört. Genauer: Wenn man Josh Haden zuhört. Der Sohn des Jazzbassisten Charlie Haden hatte in den späten 1990ern und um die Jahrtausendwende vielleicht nicht übermäßig viele, aber eine doch erstaunlich illustre Runde an Fans und Bewunderern (zu denen u.a. auch Johnny Cash gehörte; sein Cover von "Spiritual" ist sogar fast bekannter als das Original) mit insgesamt drei Alben tief in seinen Bann gezogen. Die Art und Weise, wie seine warme, sonore Stimme diese kleinen Geschichten von Liebe und Trauer, vom Glauben und Zweifeln, vom Zusammen- und Alleinesein erzählte; wie diese Musik - nah am Pop, nah am Jazz, nah am Blues, aber eben nichts davon richtig und damit umso einzigartiger - mit diesem seltsam verschrobenen Drive einen bestimmten Punkt in den Menschen zu bewegen schaffte: Das war eine Beziehung, die Wert hatte. Ungeahnten Wert.

Als Spain in der Versenkung verschwanden, nahmen nicht viele davon Notiz. Sie waren immer da gewesen, aber sie hatten sich nie spektakulär in Szene gesetzt. Diese Band bestand aus Musikern, sie waren keine Rockstars. Hatten keine Allüren und waren nicht auf Ruhm und Ehre aus. Als vor etwa einem Jahr verkündet wurde, dass die Band - bis auf Josh Haden vollkommen neu besetzt (mit Randy Kirk, Matt Mayhall, Daniel Brummel und Dylan McKenzie - ein neues Album aufnehmen würde, war der Tenor aber einhellig: Das war es. Das war es, was gefehlt hat in all den Jahren. Man hatte es nicht benennen können, aber man hatte es vermisst; dieses Gefühl, dass da jemand ist; eine Stimme im Hinterkopf, die jede Regung, jede Seltsamkeit und jeden nicht ganz nachvollziehbaren Dreher in ihrem Leben hatte auf kuriose Weise erklären können. Die alte Liebe Spain entflammte wieder, und als "The Soul Of Spain" erschien, war es, als wäre die Band nie weg gewesen. Mehr noch: Als hätte sie in ihrer Emotionalität und ihrer Unmittelbarkeit zudem in Glitterhouse endlich das passende Zuhause gefunden.

Ich traf die Band in diesem Jahr beim Orange Blossom Special zum Interview. Und erlebte in Josh Haden einen Gesprächspartner, der durch seine pure Präsenz all das verkörpert, was in seiner Musik lebt. Es dauert Sekunden, bis ich weiß, dass die Musik von Spain diesem Mann als Mensch entspricht. Ein erhabener, ein wahrhaftiger Moment. Josh Haden antwortet auf meine Fragen: langsam. Er lässt sich Zeit. Er lächelt feinsinnig. Und er gibt nicht immer die Antworten, die man erwartet hatte.

Ihr seid jetzt seit einiger Zeit verschollen gewesen, seit zehn Jahren um genau zu sein. Könnt ihr uns nochmal kurz auf den Stand bringen, wieso ihr euch damals aufgelöst habt?

Josh: Es gab da einige Gründe. Alle zu erklären, würde Stunden dauern! Ich glaube, hauptsächlich lag es daran, dass wir alle eine Pause brauchten. Du siehst, die Gründe sind ziemlich langweilig. Leute, die unsere Musik gerne mögen, werden leider keine spannenden Split-Up-Stories von uns zu hören bekommen.

Aber ihr wart ja sowieso nie die laute, "auffällige" Band, die sich spektakulär inszeniert hat abseits der Musik.

Josh: Ja! Es hat aber auch etwas mit Geld zu tun gehabt, mit Business. Leider!

Was ist in der Zwischenzeit so passiert bei euch?

Josh: Ich habe immer weiter Musik gemacht. Zum Beispiel habe ich ein Soloalbum veröffentlicht, das von Dan The Automator produziert wurde. Ich habe bei verschiedenen Projekten gesungen wie der Blue Man Group, den Soulsavers oder Charlie Haden, Family & Friends. Ich habe mich beschäftigt! Aber weißt du, mein Freund Rich von den Soulsavers hat mich immer belagert, die Band wieder zusammenzubringen. Er ist ein großer Spain-Fan. Und auch wenn es so schien, als ob die Fans mein Soloalbum mochten, war der Wunsch nach einem neuen Spain-Album größer. Also habe ich 2007 beschlossen, die Band wiederzubeleben.

Also ist der Kontakt zu den anderen Bandmitgliedern in der Zeit nie abgerissen? Ihr habt euch immer zwischendurch ausgetauscht?

Josh: Nein. Wir spielen ja jetzt auch nicht mehr in der Originalbesetzung von damals. Wir sind Facebook-Freunde, aber wir spielen nicht mehr zusammen und sprechen auch nicht mehr häufig miteinander.

Er ist also auf euch, die neuen Spain, zugekommen und hat euch gefragt, wie ihr die Idee fändet, ein neues Album mit ihm aufzunehmen? Wie habt ihr euch getroffen, wart ihr auch schon vorher bekannt mit Josh?

Randy: Ich habe schon bei Joshs Soloalbum mit ihm gespielt, das dauerte etwa sechs Monate. Eines Tages sagte er zu mir, dass er Lust auf ein neues Spain-Album hätte. Wir haben schon vorher ein paar alte Spain-Songs gespielt in einer Fernsehsendung, also stellte das für mich kein großes Problem dar! Daniel stieß ein wenig später zu uns, und Dylan ist quasi das neueste Bandmitglied.

Wie hat es sich angefühlt, bei einem Comeback mitzuwirken, das von vielen Fans so heiß erwartet wird?

Matt: Ich finde gar nicht, dass es sich so direkt nach einem Comeback anfühlt. Als ich zur Band kam, und als alles konkret wurde, war ich einfach nur total aufgeregt, Teil dieser Band zu sein, denn ich habe immer schon unfassbar gerne Spain-Songs gehört, auch als ich Josh noch gar nicht kannte. Es fühlte sich für mich also sehr natürlich an, die alten Songs zu spielen, weil ich sie so gern mochte und so vertraut mit ihnen war!

Josh, wie fühlst du dich denn in Bezug auf euer neues Album? Abgesehen von den neuen Bandmitgliedern, worin lag für dich persönlich der größte Unterschied zwischen der Arbeit als Spain von 2002 und heute?

Josh: Ich weiß nicht, ich kann das glaube ich nicht wirklich greifen während ich arbeite. Das ist wirklich schwer zu sagen. Eigentlich ist es wie bei jedem anderen Album, das du aufnimmst: Du hast ein paar Songs, und du gehst ins Studio, um sie aufzunehmen! Es ist immer aufs Neue ein Prozess, es gibt gute und schlechte Momente! Was allerdings interessant war, ist, dass ich einige sehr alte, nie veröffentlichte Spain-Songs von damals genommen habe, zu denen Ideen und Noten existierten, und versucht habe, sie mit der neuen Band in die neue Ära von Spain zu integrieren. Das hat wirklich gut funktioniert! Einige davon haben es sogar auf das Album geschafft, an anderen müssen wir noch arbeiten. Für "The Soul Of Spain" bedeutet das, dass die neuen Stücke hier auf einige sehr alte Stücke treffen! Es vereint also sozusagen die alten Spain mit den neuen!

Wenn man eure Texte liest, fühlt es sich an, als beinhalteten sie eine unglaubliche Weisheit. Wie persönlich ist die Band Spain für dich, und wie persönlich sind die Songs, die du schreibst?

Josh: (zögert) Ich denke, sie müssen bis zu einem bestimmten Punkt persönlich sein. Ich bin nicht der Schreiber, der über etwas völlig fremdes schreibt, ohne davon eine Ahnung zu haben. Das kann ich nicht. Aber ich schreibe Gedanken auf, Beobachtungen von der Welt wie ich sie sehe, Erfahrungen, die ich gemacht habe. Allerdings lege ich einen Filter darüber. Du musst es dir so vorstellen: Mein Leben ist langweilig. So langweilig wie das jedes x-beliebigen Menschen. Aber ich bin ein Schreiber. Also mache ich das, was alle Schreiber tun: Ich schmücke meine Geschichten aus, damit sie spannend und bedeutsam klingen.

Ist es denn immer noch so, dass du die Wiedergeburt von Spain als eine Notwendigkeit zum Ausdruck deines Inneren siehst? Oder fühlt es sich mehr so an wie der Gefallen, den du einem Freund tust, wieder mit Spain Musik zu machen?

Josh: Es ist wohl an beiden Seiten etwas Wahres. Ich fühle mich sehr verbunden mit meinen Fans, speziell denen aus den 1990ern, die immer noch da sind. Wären sie es nicht, könnte ich mit der Band nichts mehr machen. Außerdem waren Spain damals ein sehr bedeutender Teil meines Lebens, und es hat mir gefehlt. Ich hatte Heimweh danach, in gewisser Weise, und nun kann ich es stillen.

Man hört es dem Album übrigens gar nicht an, dass zehn Jahre seit dem letzten vergangen sind. Alles klingt so vertraut! Bis auf eine Sache: Bei zwei Songs habt ihr erstmals das Tempo ein bißchen angezogen. Spain in Midtempo, "Because Your Love" and "Memory Man". Kannst du mir ein bißchen über die beiden Stücke erzählen? Sind das verarbeitete Songs von damals oder weisen sie vielleicht doch auf eine neue Richtung der Band hin?

Josh: "Miracle Man" ist ein wirklich alter Song. Wir haben ihn in verschiedenen Tempi aufgenommen und waren mit dem zufrieden, was du auf dem Album hören kannst. Einem Rocksong. Das erwartet man nicht von uns, das ist toll! "Because Your Love" ist ziemlich neu. Ich kam auf die Idee, als ich zuhause Geschirr gespült habe. Und ich dachte mir: "Hey, das könnte gut werden. Das sollten wir aufnehmen". Was wir am nächsten Tag auch gemacht haben.

Seid ihr anderen in den Songwriting-Prozess eingebunden? Habt ihr "Mitspracherecht"?

Josh: Ich habe Matt um einen Song gebeten! Und ich denke, es werden einige, die er geschrieben hat, auf dem nächsten Album zu hören sein! Einer von Daniels Songs ist auch auf diesem Album, "All I Can Give". Er singt auch darauf! Aber ich habe das Songwriting bei diesem Album doch sehr für mich gehabt. Und umso mehr freue ich mich auf das nächste, denn da werden wir stärker als Band arbeiten, uns viel mehr austauschen. Wir haben einfach mehr Zeit. Jetzt durften wir das Studio eines guten Freundes nutzen, aber wir hatten nicht viel Zeit. Vieles musste vorher schon fertig sein, so dass wir es nur noch spielen mussten. Das ist beim nächsten Mal anders.

Ein Freund von euch soll dich gebeten haben, auf keinen Fall das Spain-Konzept zu zerstören. Gab es denn jemals so etwas wie ein Konzept, und wenn ja, wie sah es aus?

Josh: Schwer zu sagen! Ich würde aber sagen, ich könnte mich gar nicht vom Spain-Konzept weg bewegen, wenn da eins wäre. Ist da eines? Ich reize es vielleicht aus, führe es auf neue Wege, wie bei den zwei Songs, von denen wir gesprochen haben. Thematisch und lyrisch siehst du nicht viele Neuerungen. Es ist aber schön, gerade auch wenn man live spielt, wenn man mal etwas variieren kann im Tempo oder in der Lautstärke. Langsame Stücke zu spielen ist schön, aber auch mal ein schnelleres dazwischen zu haben, macht es abwechselungsreicher!

Dürfen wir uns denn auf noch mehr Neuerungen freuen als bloß Variationen im Tempo der Songs?


Josh: Aber ja! Ich sage zum Beispiel jetzt so Sachen wie: "Hallo!! Wie geht es euch?? Seid ihr bereit für Rock'n'Roll??" und so etwas. Das werde ich zumindest versuchen. "People! Get ready!!" Das habe ich noch nie gemacht!

Du wirkst sehr überzeugend!

Josh: Jemand, von dem ich mir bei seiner Live-Präsenz sehr viel abschaue, ist Ozzy Osbourne. Wenn du mal eines seiner Konzerte siehst, wirst du feststellen, dass Ozzy nur sein Mikrofon in die Hand nimmt und "Yeeeeahh!!" schreit. Und die Leute sind sofort gefesselt. In einem Interview hat er mal gesagt, dass er viel Fitness-Training macht. Auf Tour kommt er aber nicht dazu! Doch auf der Bühne verbrennt er so viele Kalorien, einfach nur weil er schreit. Ich für meinen Teil nehme immer sehr viel Gewicht zu, wenn ich toure. Wenn ich einen Weg fände, auf der Bühne Kalorien abzubauen, wäre das doch toll! Vielleicht bauen wir aber auch einfach Essenspausen in unsere Konzerte ein. Wer weiß?

Was ist dir eigentlich lieber: Der Entstehungsprozess eines Albums oder das Live-Spielen? Denn ihr scheint nicht besonders viele Konzerte zu spielen!

Josh: Zuletzt war es auch schwierig für die Veranstalter, mit uns zu planen, weil wir so lange weg waren. Das ist ein hohes Risiko, denn die Clubbesitzer wollen ja Geld verdienen, wenn sie uns auf ihre Bühnen stellen. Das ist vollkommen verständlich. Aber jetzt, im Zuge des neuen Albums, mit dem wir wieder im Gespräch sind, sollte es einfacher werden.

Ihr spielt ja sehr mit spanischen Stereotypen. Zum Bandnamen kommt da die mysteriöse, dunkelhaarige Frau, die sich auch auf dem Cover von "The Soul Of Spain" wieder findet. Was verbindet euch mit diesem Land?

Josh: Ich finde gar nicht, dass wir unbedingt mit spanischen Stereotypen spielen! Und der Bandname hat gar nichts mit dem Land zu tun. Es tauchte in einem Traum, den ich mal hatte, eine Person auf, und die sagte mir, ich solle meine Band so nennen. Und was die Artworks betrifft... Ich entscheide relativ impulsiv über das Aussehen. Kleine Ideen, die ich habe, und dann umsetze bzw. umsetzen lasse. Ich kann nicht sagen, woher sie kommen! Vielleicht liege ich selbst total falsch, wenn ich sage, es hat nichts mit dem Land Spanien zu tun! Die Frau auf den Covern entspricht einfach einem Schönheitsbild von einer Frau bzw. einem Mädchen, das ich habe seit ich fünf Jahre alt bin. Sie hatte dunkle Haare und war sehr hübsch. Vielleicht ist es ein Idealbild einer Frau, das ich insgeheim so lange mit mir herumtrage.

Matt: In meinen Augen liegt es in einer langen Tradition von Bildern weiblicher Schönheit. So lese ich das! Und gleiches gilt auch für das Land Spanien: Wenn du in Amerika lebst, ist Spanien für dich sehr surreal. Ein wunderschöner, aber weit entfernter Ort. Genau, wie die Frau auf dem Cover wunderschön, aber unerreichbar ist.

Josh: Ich danke dir. So hätte ich es auch gerne erklärt.

Hast du nie darüber nachgedacht, wie die Fans sich Zusammenhänge erschließen und daraus ein ganz anderes Bild der Band in sich manifestieren?

Josh: Na klar! Das sollen sie ja! Damit versuchen sie etwas, das mir nicht gelingt: Einen Zusammenhang für alles zu finden. Eine Linie. Ich mache nur was ich am besten kann. Wenn die Fans versuchen, darin zu lesen, und mir ihre Gedanken mitteilen, finde ich vielleicht eines Tages selbst einen Sinn darin.


Text: Kristof Beuthner


Fotos: Sterling Andrews