Artikel 31.01.2012

ENE MENE MIEZ! - Eine Retrospektive.

Seit zweitausend hörten wir immer mehr von der Berliner Band MIA., bis sie nach ihrem vierten Studioalbum eine vierjährige Pause eingelegt hat. Im März diesen Jahres kommt nun das fünfte Studioalbum raus. Ein Grund für nillson.de noch einmal zurück zum Anfang zu spulen und ein Fazit der letzten zwölf Jahre zu ziehen, angefangen bei schnoddrigen Elektropunk, über frohlockenden Pop bis hin zu platten Deutschpopattitüden, dazu natürlich immer eine leichte bis überwürzte Prise NeueDeutscheWelle. MIA. hat eine bewegte musikalische Gesichte und sie ist noch nicht am Ende. MUSIK AB!

Miezes Gesangslehrerin hatte sie eindringlich vor "RockundPopmusik" gewarnt. Ein Grund genug für die 18-jährige Schülerin am John-Lennon-Gymnasium, sich mit ihrem Klassenkameraden Andi Ross (Gitarre) zusammen zu tun, ein Mikrophon in die Hand zu nehmen und Songtexte zu schreiben. Kurze Zeit später wurden die weiteren Bandmitglieder (Robert „Bob“ Schütze: Bass und Ingo Puls: Gitarre, Horn, Keyboard) durch keine geringere als die spätere viva-Moderatorin Sarah Kuttner vermittelt. Als dann 2001 der Schlagzeuger Gunnar Spies die Band unterstütze und das Label R.O.T (zusammen mit Nhoah, Staab und Inga Königstadt) gegründet wurde, war der Weg in die Berliner Musikszene geebnet.

Auf dem erste Album HIEB&STICHFEST verortet sich MIA. im dem Genre des "Elektropunk", der eindeutig an die Musik der NeuenDeutschenWelle angelehnt ist: schnoddrige Gitarrenriffs, quitschende Elektrogameboybeats und Miezes wilder aggressiver Gesang. Dazu grelle Kostüme und eine gehörige Portion Berlin.

ALLES NEU (2002)

Im September 2003 sorgte der Song und das dazugehörige Video WAS ES IST für einen Eklat. Der Text forderte einen neuen entspannten Umgang mit deutscher Herkunft und verlangt nach neuen Formen eines Nationalstolzes, der sich nicht immer für die Taten der deutschen Nationalsozialisten schämen muss. Viele linke Gruppierungen und Vereine warfen MIA. nationalsozialistisches Liedgut vor und distanzierten sich von der Band, die vorher auf zahlreichen linken Veranstaltungen aufgetreten war und auch einen großen Fankreis innerhalb der Szene hatte. Als dann auch noch auf mehreren rechtsradikalen Demonstrationen das Lied gespielt und gesungen wurde, fand das Thema Einzug in die Medien. 


WAS ES IST (2003)

Allerdings konnte sich MIA. dem Vorwurf des Rechtsextremismus schnell entwinden, einerseits aufgrund ihrer Vergangenheit und ihrer starken Nähe zur linken Punkrockszene, andererseits hatte sich die Band Zeit ihres Bestehens immer gegen Rechtsextremismus engagiert. Bereits 2002 veröffentlichte sie eine Punkversion der DDR-Nationalhymne für den Film FÜHRER EX (Trailer). Der Film setzt sich kritisch mit der Neonazi-Szene nach dem Mauerfall auseinander.

AUFERSTANDEN AUS RUINEN (2002)

Das zweite Studioalbum STILLE POST zeigt bereits wesentlich popigere Züge als sein Vorgänger. Es ist allerdings nicht weniger politisch. Vielleicht hat es etwas mit dem Älterwerden zu tun, reifer, gesetzer, ruhiger... die aggressive Stimmung des ersten Albums ist verspielten Melodien und lebensbejahenden Texten gewichen. Mit dem Song PRO Test- der 2005 auch auf einem von der SPD herausgegebenen Sample gegen Rechtsextremismus erschien- grenzen sich MIA. eindeutig von der Anti-Haltung der Linken Szene ab. Mit einer Mischung aus minimalistischen Elektrobeats und Gitarrenspiel fordert Mieze einen friedlichen und positiv gestimmten Protest ("Prostest bedeut nicht zerstören/ Ich bin dafür auch nur mal zuzuhören.").

HUNGRIGES HERZ (2004)

Das Intro ist die Melodie einer kleinen Spieluhr. Man sieht förmlich die rosa Primaballerina, die sich vor einem Spiegel dreht. MIA. hat sich ab nun vollkommen dem Pop verschrieben. Auf ZIRKUS ist ein Song flauschiger als der nächste. Es geht um Liebe und Frieden und Frieden durch Liebe. Was angefangen hat mit wütenden Aufschreien, sich beruhigte und klare idealistische Forderungen stellte, ist nun zu einer zuversichtlichen Hymne geworden. MIA. scheint den Glauben an die Menschheit und an das Gute gefunden zu haben. In dem Song ENGEL, die letzte Singleauskopplung des Albums, fragt Mieze "Was geb ich für eine Formel, die das alles hier erklärt, auch wie Luft und Liebe Hungernde nährt" und sie findet die Antwort "Wenn ich ein Engel wär, geb ich meine Flügel her. Obwohl ich kein Engel bin, gäb ich meine Stimme her, für einen Tag in Frieden." Das klingt kitschig und ist es auch. Durch und durch. Aber es ist konsequent. Auf Konzerten fordert Mieze das Publikum dazu auf, sich gegenseitig zu umarmen. Sie scheint überzeugt: wenn wir uns nur alle genug Lieben, dann wird das schon was mit dem Weltfrieden. Gleichzeitig finden auch tiefe Balladen wieder Einzug in das Album. Balladen, wie sie MIA. auf ihrem zweiten Album vollkommen ausgespart haben. Der Glaube an die Kraft der Liebe bricht in der Zweisamkeit einer monogamen Beziehung. 2PIECES wundert sie sich darüber, dass Gefühle plötzlich aufhören zu wachsen, obwohl doch alles richtig zu sein scheint. Der übergroße Glaube an die Liebe und das Überraschtsein über ihr ständiges Scheitern hat etwas kindliches, was zwischen den klimpernden und zuckerstangenartigen Beats perfekt aufgehoben ist. Ein Kind, was im Zirkus sitzt, und an all die Wunder die es dort sieht glauben möchte und es doch nicht mehr kann.

UHLALA (2006)

Dem zweijahres Zyklus folgend kommt 2008 das vierte Studioalbum raus. WILLKOMMEN IM CLUB. Was musikalisch im vorigen Album begonnen wurde, wird hier auf die Spitze getrieben: MIA. verschreibt sich hundertprozentig dem leichten Elektropop. Was bei ZIRKUS aber hervorragend als Mischung aus Weltliebe und Kitschsound funktioniert, geht bei WILLKOMMEN IM CLUB mächtig daneben. Die Beats werden zu aufdringlich, Miezes Gesang zu quietschig und die Texte verlieren sich in Belanglosigkeiten. Das Album wartet nur mit wenigen starken Songs auf. Einer davon erscheint als zweite Singleauskopplung raus und leitet die vier Jahre dauernde Stille um MIA. ein.


MAUSEN (2008)

Das im März erscheinende Album mit dem Titel TACHELES verspricht schon einmal vom Namen her viel. Die kommende Singleauskopplung soll bereits auf einigen Radiosendern durch Deutschland geistern, ist allerdings noch nirgends im Internet zu finden.
Eine Rückbesinnung auf den Elektropunk kann man von der Band höchstwahrscheinlich nicht erwarten. Allerdings sind die Themen, die MIA. seit dem Anfang ihres Bestehens verhandelt, in Zeiten der wiederaufkommenden Anti-Atomkraftbewegung, des Occupy-"Kampfes" gegen die Fehlwirtschaft der Reichen, dem jahrelangen nachlässigen Umgang mit rechtsradikalen Terrorzellen und dem populistischen Werben für nationale Abgrenzung als angebliches Bollwerk gegen die Finanzkrise aktueller als je zuvor. 
Wie wird es sich anhören, wenn MIA. und ihre vier Jungs Tacheles reden?

(Fortsetzung in Form einer Plattenkritik folg im März, natürlich hier, auf deinem Lieblingskulturmagazin: nillson.de...)

Text: Lasse Scheiba

 

Postscriptum: noch zwei Soloprojekte der Sängerin Mieze Katz. Erstes ist im Rahmen eines musikalischen Denkmals der Dichterin Else Lasker-Schüler gewidmet. Julian Hanebeck und Björn Krüger baten dreizehn bekannte deutsche Frauen ein Gedicht von Lasker-Schüler einzusingen (darunter auch Regy Clasen, Gitte Haenning und Kat). 

Bei dem zweiten Song holte sich der DJ Oliver Koletzki Mieze für sein Großstadtmärchenprojekt ins Boot. Auch dieses bedient sich der Stimmen von bekannten Sängern (unter anderem auch Bosse, Kate Mosh und Fran) und verbindet sie mit popigen Elektrosounds. Ein Album, das gleichermaßen zum Entspannen und zum Tanzen einlädt.

DU MACHST MICH TRAURIG (2005)


THIS IS LEISURE (2009)