Rezensionen 23.10.2015

Chantal Acda - The Sparkle In Our Flaws [Glitterhouse / Indigo]

Dem großen und völlig berechtigten Hype um Die Nerven zum Trotz darf nicht vergessen werden, dass Glitterhouse auch ein absolutes Sahnejahr für stille Töne erwischt hat. Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel dafür ist die Labelpremiere der Niederländerin Chantal Acda.

Die Dame hat seit 2006 nicht nur eine beträchtliche musikalische Vita, sondern auch einen illustren Kreis namhafter Mitmusiker um sich geschart. Sie hat mich bei ihren Veröffentlichungen mit den Isbells schon voll erwischt, bei den wundervollen Marble Sounds gesungen, mit dem unerreichten Nils Frahm gearbeitet (dem einzigen Künstler, den ich kenne, dessen Tage wirklich 48 Stunden haben müssen). Von letzterem aus war der Weg zu Labelmate und Seelenpartner Peter Broderick nicht weit, und hier fängt die Geschichte an, so richtig spannend zu werden, denn zusammen mit ihm und Shahzad Ismaily, der wiederum mit Granden wie Bonnie Prince Billy oder Tom Waits auf der Bühne stand, fand sie endlich die musikalische Heimat, die sie zur vollen Entfaltung brauchte - in sich selbst und aus sich selbst heraus. Klar hielt sie das auch nicht davon ab, im vergangenen Jahr zusammen mit Glitterhouse-Engtänzer Chris Eckman und Eric Thielemans unter dem Namen Distance, Light & Sky ein wahres Kunstwerk aufzunehmen. Viel umtriebiger kann man kaum sein.

Und nun schließen wir den Kreis und springen ins Jetzt und zu "The Sparkle In Our Flaws", das Chantal Acdas Debüt unter eigenem Namen bei Glitterhouse ist und - wie ich das eingangs ja bereits erwähnte - ein Sahnehäubchen auf die in hellem Glanz erstrahlende Seite eines unserer Herzenslabels setzt. Für mich, der seit nunmehr sechs Jahren im Herbst auf neuen Output der edlen Espers verzichten muss, ist die zärtlich-traumwandlerische Finesse, mit der Chantal Acda - gesegnet mit einer glasklaren, samtweichen, glockenhell betörenden Stimme - ihre acht fragilen Folk-Weisen vor uns ausbreitet, ein echtes Geschenk. Zwar spielen diese Kleinodien nicht ganz in der gleichen Liga, weil sie weniger weird sind als wunderschön, aber die Sanftmut, mit der diese herrlich sanfte Stimme auf von Klangtupfern aus Gitarre, Streichern, Bläsern und Synthscapes gesäumten neblig-verschlungenen Waldwegen wandelt, sucht ihresgleichen und sorgt für ein tiefes, wohliges Gefühl von Geborgen- und Schönheit. Gemalt in den wärmstmöglichen Farben und geschmückt mit schmeichelnden Melodien - bitte hierzu das eröffnende "Homes" oder, noch besser, "Minor Places" anwählen - ist "The Sparkle In Our Flaws" ein Wohlfühlalbum von unschätzbarem Wert, friedvoll und kontemplativ, glänzend und schillernd.


Text: Kristof Beuthner