Rezensionen 05.07.2016

Ben Lukas Boysen - Spells [Erased Tapes / Indigo]

Neuzugang für das hochgeschätzte Erased Tapes-Label: Filmkomponist Ben Lukas Boysen vereint auf seinem zweiten Album unter eigenem Namen das Vorhersehbare mit dem Unvorhersehbaren.

Das geht so: Programmierte Klavierstücke von Boysen selbst werden durch Improvisation in Zusammenarbeit mit einem Schlagzeuger, einem Cellisten und einer Harfenspielerin zu völlig neuen Klangerlebnissen, die der Künstler dann anschließend mit Delays, Hall etc. noch weiter verfremdet. Ein interaktives musikalisches Projekt also, bei dem allen Beteiligten vorher nicht ganz klar war, worauf das Ganze hinauslaufen sollte.

Nun ist dieser Prozess freilich für uns Hörer vor allem ganz nett zu wissen, allein wir hören nur das Ergebnis. Nils Frahm (wer sonst?) hat gemischt und produziert und wieder für den von Erased Tapes-Veröffentlichungen allseits bekannten und geliebten organischen Klang gesorgt. Die acht Stücke auf „Spells“, das haben sie alle miteinander gemein, verströmen eine Aura der Ruhe; die Piano-Parts sind auf Wattewolken gepackt und werden von den anderen Instrumenten spielerisch, aber beinahe vorsichtig umgarnt. Hier und da sorgt das Schlagzeug von Achim Färber für eine dezent angejazzte Note; Anton Peisakhovs Cello veredelt die Stücke und gibt ihnen enorme emotionale Tiefe, während Lara Somogyis Harfe für eine gewisse Leichtigkeit sorgt. Doch im Zentrum steht stets Ben Lukas Boysens Klavier, das Tonfolgen variiert, Melodiebögen aufreiht, mal plätschert, mal treibt. „Spells“ ist ein Projekt, dem es viel Spaß macht, zu folgen: Die Melancholie und die Emotionalität der acht Stücke von „The Veil“ bis „Selene“ lassen aber ebenfalls spüren, dass Boysen bereits als Filmkomponist gearbeitet hat. Diese deutlich hörbare erzählerische Komponente - was sie erzählt, bleibt tatsächlich Suggestion und unserer Interpretation überlassen - auf „Spells“ eröffnet imaginäre Welten, in die man sich gerne mitnehmen lässt, ungewiss, was dort auf uns wartet. Ein tolles Album.


Text: Kristof Beuthner